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Seipp gegen Brady-Plan

Mageres Geschäftsjahr macht Commerzbank-Chef zum Gegenspieler von Deutschbankier Herrhausen  ■ Mit deutschen Bankern auf du und du

Washington (taz/ap) - Viele Banker, auch bundesdeutsche, fühlen sich nach der Rahmenvereinbarung des Bankenkomitees mit Mexiko unter Druck. Commerzbank-Chef Walter Seipp gilt in Washington als „Opfer des Zeitgeistes“, den sein Kollege von der Deutschen Bank, Alfred Herrhausen, mit seiner immer lauter werdenden Forderungen nach Schuldenerlaß entfacht hat. Seipp findet Schuldennachlässe so falsch, wie das ein Banker nur falsch finden kann, fühlt sich gleichwohl beim geplanten Mexikopaket zum 35prozentigen Nachlaß gezwungen: Nach seinen Bekundungen würde man bei Nichtteilnahme von den Schuldnerländern künftig als allerletzter bedient. Seipp sieht nun erdrutschartige Forderungen der Schuldnerländer auf seine Branche zukommen.

Ganz von ungefähr sind diese unterschiedlichen Ansichten Seipps und Herrhausens nicht. Während das bundesdeutsche Spitzeninstitut komfortable 70 Prozent seiner Drittweltkredite bereits als nicht einbringbar in den Bilanzen verbucht hat, muß die Commerzbank mehr denn je auf jeden Pfennig Zinseingang hoffen. Im Gegensatz zur Deutschen Bank und der Nummer zwei, der Dresdner, die beide im ersten Halbjahr wieder satte Gewinnzuwächse erzielten, krepelt Seipps Haus seit Anfang des Jahres beim Nullwachstum herum.

So ging Seipp am Sonntag in Washington in die vollen: Er kritisierte die neue Strategie zur Verringerung der Auslandsschulden von Entwicklungsländern scharf und riet zum Verzicht sowohl auf den Brady- wie auf den Herrhausen-Plan, der eine Kombination von Zinssenkungen, Abschreibungen und späteren Teilschuldenverzicht vorsieht.

Seipp, der vom Auftritt her im Vergleich zum smarten und eloquenten Herrhausen eher wie ein erfolgreicher Bauunternehmer mit Sinn fürs Praktische wirkt, meinte denn auch auf der Pressekonferenz, der Herrhausen-Plan sei „akademisch durchdacht. Funktionieren wird er nicht.“ Ein noch deutlicherer Hieb: „Wer ein bißchen vom Bankengeschäft versteht, der weiß, daß es keine neuen Kredite mehr gibt, wenn irgend jemandem einmal die Schulden erlassen wurden.“ Und wenn es nach Seipp ginge, würde auch der Brady-Plan am besten so schnell wie möglich in der Luft zerrissen. Die Art und Weise, wie hier nur die Geschäftsbanken herangezogen und die öffentlichen Kreditgeber verschont würden, sei eine „Diskriminierung“, die „in der zivilisierten Welt ohne Beispiel“ dastünde.

Das von rund 500 internationalen Banken mit Mexiko vereinbarte Paket sieht vor, daß die Institute entweder auf 35 Prozent ihrer Forderungen verzichten, die Zinsen bei Beibehaltung ihrer Forderungen auf 6,25 Prozent verringern oder Neukredite in Höhe von 25 Prozent ihrer Außenstände vergeben. Seipp machte deutlich, daß die Commerzbank sich nicht für die dritte Option entscheiden werde. Der Brady -Plan sei nicht voll durchdacht worden, meinte der Commerzbank-Chef und riet dazu, ihn beiseite zu legen.

Seiner Meinung nach sind die Verschuldungsprobleme nur zu lösen, wenn der Kapitalflucht aus den Schuldnerländern ein Riegel vorgeschoben wird und diese Länder einschneidende wirtschaftliche Reformen durchsetzen. Er verwies darauf, daß den Auslandsschulden vieler lateinamerikanischer Staaten beträchtliche Auslandsvermögen gegenüberstünden. Nach Seipps Schätzung seien in dem Auslandsvermögen Lateinamerikas von 327 Milliarden Dollar mindestens 250 Milliarden Fluchtkapital enthalten.

Man darf also gespannt sein auf die Pressekonferenz des Bundesverbandes der deutschen Banken, bei der Herrhausen mit Seipp Seit‘ an Seit‘ den Kampf zweier Bankenlinien öffentlich austragen muß.

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