: Bullenfieber
■ McCASH FLOWS ORAKEL
Daß es sich bei den Beschlüssen der sieben großen Industriestaaten beim „G-7„-Treffen nicht nur um Lippenbekenntnisse handelt, demonstrierten am Montag die Notenbanken: Sie warfen US-Dollar auf den Markt und ließen die amerikanische Währung auf 1,90 Mark fallen. Die Börse in der Wall Street reagierte darauf mit deutlichen Verlusten. Außer Columbia Pictures, auf die Nippons Electronic-Riese Sony ein Auge geworfen hat, mußten nahezu alle Aktien Abschläge hinnehmen. Verbesserte Exportchancen der US -Unternehmen durch einen schwachen Dollar - diese Aussicht scheint den New Yorker Spekulanten offenbar weniger zu wiegen als die Angst, daß eine niedrige Währung auch steigende Leitzinsen, also Sand im Dow-Jones-Getriebe, nach sich ziehen könnte. In Tokio hingegen hat der erstarkte Yen umfangreiche Käufe ausgelöst, favorisiert waren vor allem High-Tech-Aktien, und auch in Frankfurt sorgte der Dollar -Fall um 5 Pfennig für gute Stimmung: Die in den letzten Monaten stark gesuchten Bau- und Konsum-Aktien konnten weiter zulegen. Daß auch die Bundesbank den Leitzins alsbald erhöht - diese Angst ist zwar noch nicht vom Tisch, aber doch erst einmal verdrängt. Zu den wenigen klaren Verlierern gehörten auch zum Wochenbeginn die coop-Papiere, die auf 139 Mark abrutschten. Am Freitag waren noch 154 Mark für eine Aktie des maroden Handelsriesen zu bezahlen. Insgesamt freilich hält an den bundesdeutschen Börsen das Bullenfieber an: Die Großbanken haben optimistische Prognosen für 1990 abgegeben, und auch ausländische Brokerhäuser bescheinigen dem deutschen Aktienmarkt durchweg gute Gewinnaussichten. Wo aber allseitig so eitel Freude herrscht, da ist Vorsicht angebracht, denn analog zu Hölderlin („Wo Gefahr ist, da wächst das Rettende auch“) gilt in der Börsenwelt die Regel: Wenn eine große Mehrheit der Berater optimistisch ist, steigt die Gefahr fallender Kurse.
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