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Seltsamste Blüten-betr.: "Dr. K's Nachhilfestunden im Neuen Deutschland zum Pluralismus", taz vom 25.9.89

betr.: „Dr.K's Nachhilfestunden im Neuen Deutschland zum Pluralismus“, taz vom 25.9.89

Wenn die SED das Wort „demokratische Opposition“ hört, entsichert sie ihren Dr.Kertzscher. Bestürzendes Fazit der ND-Ergüsse der ND-Ergüsse (Pluralismus - was ist gemeint?“, 22./23.9.1989) dieses unverbesserlichen Stalinisten:

Die DDR-BürgerInnen, die sich für eine politische und gesellschaftliche Alternative zum verrotteten SED -Obrigkeitsstaat einsetzen, sind bei Licht nichts anderes als Handlanger „der Feinde des Sozialismus“. Für die wüste Beschimpfung demokratischer Oppositioneller in der DDR ist Dr.Kertzscher bestens ausgewiesen. Seit 1937 war er Mitglied Nr. 4 532 252 der NSDAP und gehörte auch der SA an. Den Doktortitel erwarb er sich 1941, indem er „akzentuierende Satzschlüsse“ in der neueren deutschen Prosa verglich. Eines seiner bevorzugten Prosawerke: Adolf Hitlers Mein Kampf, dessen Satzenden er in Treue zum Führer auszählte. Von dieser soliden wissenschaftlichen Warte konnte er dann zum Beispiel die Ausbürgerung Wolf Biermanns am 17.11.76 im ND als „angemessene Antwort auf feindseliges Auftreten gegen die DDR“ würdigen, indem er sich auf die BRD -Berufsverbotspraxis berief: „Zur Staatsbürgerschaft gehört eine Treuepflicht gegenüber dem Staat. Das ist nicht nur in der DDR so.“

Der „verordnete Antifaschismus in der DDR“ (Ralph Giordano) treibt die seltsamsten Blüten. Die stalinistische Verkehrung des Sozialismus hat nicht nur sämtliche linken Systemkritiker von Wolfgang Abendroth bis Gerhard Zwerenz vertrieben, sondern alles, was sich dort an preußisch -deutschen Verhaltensweisen, Denknormen und Untertanengeist nutzbar machen ließ, rigoros ausgebeutet. Wo das bis heute geschieht, kann nichts als ein Zerrbild entstehen, mit dem sich das Erbe des Nationalsozialismus auf schauerliche Weise fortsetzt.

Martin Rooney, Bremen 1

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