: Theorie fehlt-betr.: "Ökobonus soll das Auto (be)steuern", taz vom 23.9.89
betr.: „Ökobonus soll das Auto (be)steuern“, taz vom 23.9.89
Mir als Stadtbewohnerin mit fünf Minuten Fußweg zur Arbeit könnte so ein Konzept natürlich gut gefallen - 1.500 Mark pro Jahr für eine gelegentliche Busfahrt oder die Unterhaltung meines Fahrrades. Allerdings kann ich mich gut an eine Zeit erinnern, als ich auf dem Land wohnte, mit öffentlichen Verkehrsmitteln eineinhalb Stunden zur Arbeit gebraucht hätte und viele Freunde ohne Auto nur mit stundenlangen Fußmärschen hätte besuchen können. Und da erscheint mir so ein Konzept der privaten Belohnung doch sehr simplistisch.
Natürlich brauchen wir Ökosteuern, aber die müssen zum Umbau der Industriegesellschaft und zum Schutz der Umwelt ausgegeben werden - im diskutierten Fall zum Ausbau des konventionellen öffentlichen Verkehrsnetzes und zur Erprobung neuer Konzepte wie Kleinbustransport, Lumpensammlertaxis usw. Meinetwegen kann man den NichtautobesitzerInnen dann noch eine Jahreskarte fürs Verbundnetz schenken, aber bitte nicht mit solchen verlogenen Versprechungen auf Stimmenfang gehen.
Gisela Kusche, Konstanz
In dem Artikel wird eine gravierende Tendenz hin zu einer durch die Ökologie und deren Maximen bestimmten Marktwirtschft erkennbar.
Nach der „Erfindung“ der Ökosteuer durch Dieter Teufel (Bestrafung des zuviel (?) Autofahrens durch Steuer und einem „Ökoscheck“) soll an einem Teilproblem der Industriekultur kuriert werden, ohne daß das Subproblem Auto als ein solches erkannt wird. Dem entgegen müßte aber doch die Erkenntnis stehen, daß alle Probleme einer Industriekultur auf das engste miteinander verwoben sind und daß das vereinzelte Beheben von Problemen nur eine Art Kleinkarriertheit bedeutet.
Es fehlt an einer Theorie, die die Probleme einer Industriekultur nicht als viele von einander abhängige Probleme erfaßt und beurteilt, sondern mit der Erkenntnis arbeitet, daß sich alle Probleme (wie Umweltverschmutzung durch Kraftwerk- oder Autoemissionen, das Abfallproblem beziehungsweise die Verseuchung der Umwelt durch Chemikalien, Wasserverschmutzung etc.) aus einem obersten Problem heraus ableiten lassen.
Gesetzt, es gäbe solch eine Theorie würde es überflüssig werden, viele verschiedene „Problemschrauben“ zu drehen, denn es wäre dann völlig hinreichend nur das oberste Problem zu beseitigen, um alle Subprobleme gleich mit zu lösen, welche ihre Existenz ja „nur“ dem obersten Problem verdanken.
Solch eine Theorie, die die Dynamik des Ganzen erfaßt, könnte damit nur auf einer evolutionären Grundlage stehen, wobei es ein Prinzip der Evolution ist, daß bestehende Machtsysteme beseitigt werden. Solch eine Lösung wäre für die Mächtigen gefährlich.
S.Straßmaier, Erlangen
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