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Selbsttor

■ Zur Blockade Berliner Forschungsprojekte durch die Bonner Koalition

Jetzt wird schon die Lautstärke wieder gedämpft, und einen politischen Herbststurm spürt gewiß nur die 'BZ‘. Aber eine Affäre im Wasserglas wird es gewiß nicht gewesen sein. Wenn Forschungsminister Riesenhuber erst die Berliner Forschungssituation überprüfen soll, bevor neue Forschungsprojekte finanziert werden - wie es die Mehrheit im Forschungsausschuß des Bundestags beschlossen hat -, dann hat die Koalition nicht nur alle guten Argumente, sondern auch den guten Ton gegen sich. Weil die Berliner Koalition nicht paßt, weil die Ablehnung der Akademie der Wissenschaften und die ungewisse Inbetriebnahme des Forschungsreaktors im Hahn-Meitner-Institut als Sündenfall gilt, soll nun Berlin klargemacht werden, wer zahlt. Aber dieser Überprüfungsauftrag bedeutet nicht nur rausgeschmissene öffentliche Gelder; es ist auch ein Erpressungsversuch bei garantierter Erfolglosigkeit. Beide Komplexe, die Akademie der Wissenschaften und das Hahn -Meitner-Institut, gehören zum Kernbestand der Koalitionsvereinbarungen, zum Zentrum der rot-grünen Politik.

Mittels Forschungsförderung die länderpolitische Autonomie aushebeln zu wollen, ist nicht nur skandalös, es widerspricht durchaus der föderativen Ordnung der Bundesrepublik. Der Forschungsminister kann im Grunde nur positiv, das heißt mittels Forschungsförderung und nicht durch Forschungsblockade Einfluß nehmen. Mit anderen Worten: Die Bonner Koalition hat einen Streit begonnen, den sie so nicht durchhalten kann. Wenn Wissenschaftler, bekanntlich eher ängstliche Menschen, jetzt vorsichtshalber aus Berlin abwandern, wird das die Öffentlichkeit zu Recht Bonn ankreiden.

Mompers Empörung, seine Worte von einer „bisher nie dagewesenen Entgleisung“ sind durchaus gerechtfertigt. Es ist so etwas wie eine kleine (Teil-)Blockade West-Berlins, aus dem Westen. Es ist in der Tat der erste Versuch, den Bonner Finanzhebel zu benutzen, mit dem ausschließlichen Ziel, der rot-grünen Koalition Schwierigkeiten zu bereiten. Unter zivilisierten Verhältnissen ist so etwas nicht statthaft.

Auch wenn die Berliner CDU sich gegen eine Einschränkung der Berliner Forschungsmittel aussprach, wird es ihr kaum gelingen, ihre Unschuld an dem Koalitionsbeschluß nachzuweisen. Wenn sie in Berlin erfolgreich sein will, muß sie nicht zuletzt der Berliner Öffentlichkeit beweisen, daß sie derlei Beschlüsse verhindern kann. Diepgen und seine Mannschaft stehen von jetzt an in dem Ruch, ihre Rache für die Wahlniederlage im Zweifel auch auf Kosten Berlins betreiben zu wollen.

Klaus Hartung

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