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Papandreou muß sich vor Gericht verantworten

Das griechische Parlament hat die Immunität von Ex-Premier Papandreou aufgehoben und wird ihn mit vier ehemaligen Kabinetts- kollegen wegen Bestechlichkeit vor ein Sondergericht stellen / Kooperation mit Linkskoalition nach der Wahl vom 5. November verwirkt  ■  Aus Athen Robert Stadler

Für Andreas Papandreou, den ehemaligen griechischen Ministerpräsidenten, hatte die Zeremonie im Parlament schon etwas von Routine: Nach seiner „Verurteilung“ wegen Beteiligung an einer Abhöraffäre in der vergangenen Woche entschied gestern in den frühen Morgenstunden nach einer 48stündigen Marathondebatte die Mehrheit der Abgeordneten mit 166 gegen 121 Stimmen, den 70jährigen Ex-Premier auch wegen seiner Verwicklungen im sogenannten „Koskotas -Finanzskandal“ einem Sondergericht zu überantworten.

Auf den Weg dorthin werden ihn vier seiner ehemaligen Kabinettskollegen begleiten: Agamemnon Koutsogiorgas, früher Justizminister und Vizepremier, Georgios Petsos, Ex-Minister für Verkehr- und Fernmeldewesen, Ex-Finanzminister Dimitris Tsovolas und der einstige Wirtschaftsminister Panagiotis Roumeliotis.

Papandreou erklärte am Mittwoch in der Debatte, er übernehme die politische Verantwortung für die Affäre, habe sich jedoch keines kriminellen Vergehens schuldig gemacht. Er sprach von einer inszenierten Verleumdungskampagne seitens seiner politischen Gegner. Nach der Entscheidung des Parlaments wird sich erstmals in der Geschichte des modernen Griechenlands ein Ministerpräsident vor Gericht verantworten müssen. Die gestrige Debatte war der vorläufige, formelle Abschluß einer monatelangen öffentlichen Diskussion über die Verstrickung der früheren Pasok-Regierung in die klandestinen Finanzgeschäfte des Georgios Koskotas.

Die „Karriere“ dieses ehemaligen Bankiers und Medienzaren hat inzwischen eine unmittelbare Veränderung der politischen Landschaft des Mittelmeerstaates bewirkt. Eine mögliche Annäherung der sozialistischen Pasok an die Linkskoalition in Hinblick auf die Parlamentswahlen vom 5. November ist nun durch die Verwicklungen Papandreous und andere hoher Pasok -Funktionäre endgültig in weite Ferne gerückt.

Koskotas und kein Ende. Politische Beobachter bezeichnen den etwas dickleibigen Griechen als Architekten des derzeitigen Kabinetts Tzannetakis. Der Riß zwischen Pasok und Linkskoalition war einer der entscheidenden Gründe, daß sich die ehemaligen Gegner im griechischen Bürgerkrieg, die konservative Nea Demokratia und die Kommunisten, in der „Katharsis-Regierung“ wiederfanden - diesmal als Partner.

Im Oktober letzten Jahres platzte der Ballon und die Verflechtung von hohen Pasok-Funktionären mit Koskotas kam ans Tageslicht: Papandreou und einige andere Mitglieder seiner Pasok gerieten in Verdacht, während ihrer achtjährigen Amtszeit (1981-1989) Zinsen, die auf Einlagen staatlich kontrollierter Einrichtungen gezahlt wurden, in die eigene Tasche gesteckt zu haben. Der Schaden wird auf rund 400 Millionen Mark beziffert. Nach einer abenteuerlichen Flucht wurde Koskotas im Dezember letzten Jahres in den USA gefaßt und sitzt seither in Boston im Gefängnis.

Andreas Papandreou droht nun in Hellas möglicherweise ein ähnliches Schicksal, sollte es zu einem Prozeß vor dem Sondergericht kommen und er schuldig gesprochen werden. Ein Papandreou hinter Gittern hätte allerdings unvorhersehbare Folgen für das politische Klima in Griechenland.

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