: Bayer flüchtet ins Ausland
■ Forschungsschwerpunkt für die Gentechnik wird in die USA und nach Japan verlagert / Konzern-Vorstand: „Keine Flucht, aber...“ / SPD-Experte Catenhusen: Die Verlagerung ist „ein Zeichen der Schwäche“
Wuppertal (taz/dpa) - Nach der BASF will jetzt auch der Chemiekonzern Bayer den Schwerpunkt seiner gentechnischen Forschung ins Ausland verlegen: Die USA und Japan werden Hauptstützpunkte. Das kündigte Bayer-Vorstandschef Hermann Strenger gestern auf einer Pressekonferenz in Wuppertal an. Bis 1992 sollen die beiden Pharma-Forschungsinstitute des Konzerns in West Haven (Connecticut) mit Investitionen von 100 Millionen Mark auf die doppelte Kapazität erweitert werden. Ein Jahr später soll ein neues Forschungszentrum in Japan in Betrieb gehen.
In den nächsten fünf Jahren will Bayer eine halbe Milliarde Mark in die Gen-Forschung investieren. 1990 erhofft man sich die Zulassung des ersten, gentechnisch von Bayer erzeugten Medikaments, ein für Bluter notwendiges, sogenanntes „Faktor -8-Präparat“, das von einer Bayer-Tochter in Berkeley hergestellt wird.
Die Begründung für die Abwanderungsabsichten blieb gestern doppelbödig. Strenger sagte, die Verlagerung ins Ausland habe nichts mit einer Flucht aus der Bundesrepublik zu tun. Gleichzeitig sprach er aber von „erschwerten Rahmenbedingungen“ in der Bundesrepublik, sprich: Akzeptanzkrise und die Diskussion um schärfere rechtliche Regelungen für die Gentechnik. Strenger wies auf das Gentech -Paradies in den USA hin und sagte: „Wer heute in der Pharma -Forschung, speziell der Gentechnik, mitreden will, muß das große Forschungspotential in den USA für sich entschließen.“
Gentech-Kritiker befürchten, daß die Abwanderung von Bayer erneut als Druckmittel für die bundesdeutsche Gen-Debatte und -Gesetzgebung benutzt wird. Forschungsminister Riesenhuber hatte schon vor zwei Jahren Gutachter angesetzt, um Innovationshemmnisse für die Gentechnik-Industrie in der Bundesrepublik identifizieren zu lassen.
Als „Zeichen der Schwäche“ und einen „auf Dauer kurzsichtigen Schritt“ hat der Gen-Experte der SPD und frühere Vorsitzende der Gentechnik-Enquete-Kommission, Wolf -Michael Catenhusen, die Entscheidung der Bayer AG kritisiert. Die Verlagerung zeige, daß Bayer wie andere Pharmakonzerne bei der Gentechnik fast völlig von US -Lizenzen abhängig sei und sich in Zukunft noch stärker an amerikanisches Know-how anlehen müßten, um auf dem schmalen Weltmarkt für gentechnische Produkte mitzuhalten. Die weltweiten Erwartungen, auf dem Gentech-Markt kurzfristig große Gewinne zu erzielen, hätten sich nicht erfüllt.
Der SPD-Forschungspolitiker forderte abschließend die Industrie und Bayer auf, an der Suche nach einem gesellschaftlichen Konsens über die Gentechnik weiter teilzunehmen.
-man
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen