: Fachbuchhandlung nur für Frauen
■ Der Bremer Frauenbuchladen „Hagazussa“ feierte gestern seinen zehnten Geburtstag Buch „Über das Schreiben und Lesen von Lesbenliteratur“ herausgegeben
„Wir wollen weg von den moralischen Appellen - 'Frauen, kauft doch bei uns‘ - und mehr werben mit dem, was wir wirklich sind: der Buchladen mit dem größten Frauenbuch -Sortiment in der Stadt!“ Zum zehnten Geburtstag präsentierten sich gestern die Frauen des „Hagazussa„ -Frauenbuchladens mit Sektempfang und Buffet in der Friesenstraße 12 gutgelaunt, selbstbewußt und voll neuer Ideen. Rund 3.000 Titel sind ständig vorrätig, fast ausschließlich von Autorinnen. In den kommenden Monaten wird das Sortiment kritisch durchforstet, ergänzt und zu neuen Schwerpunkten gemischt. Einige Bremer Frauengruppen und „Freundinnen des Buchladens“ hatten zum Laden-Geburtstag gesammelt und in einem Eimer mit feinem weißen Sand Fünfmarkstücke versteckt. Nach fleißigem Sieben blieben glänzende 1.500 Mark zurück - und der Hinweis: „Höchste Zeit zum Kleistern!“
Ab Januar werden nur noch vier Ladenfrauen, zwei davon gelernte Buchhändlerinnen, im Einheitslohn-Kollektiv arbeiten. In früheren Zeiten war die Gruppe oft größer, die Frauen mußten aber durch Nebenjobs Geld dazuverdienen. „Wir wollen dem Laden ein neues Outfit geben und eine neue Beleuchtung installieren“, freuten sich die Frauen über das passende Geburtstagsgeschenk.
Das Sortiment hat sich in den letzten sieben Jahren, nachdem die jetzige Gruppe den Laden übernahm, vervierfacht. An den Regalen stehen Themenschildchen: Scheidung, Krimis, Lyrik, Musik, Kunstgeschichte, Hexen, Cartoons, (Haus) Arbeit, aber auch russische Revolution, Weimarer Republik, Faschismus, Rassismus. „Wir haben das Themenspektrum üblicher Buchhandlungen, also nicht nur Frauenbiographien oder Selbsterfahrung, sondern auch Kunst, Wissenschaft, Literatur, aber alles aus feministischer und lesbischer Sicht - wir sind eine Fachbuchhandlung“, erklärte Buchhändlerin Kirsten Tandecki. Der Buchladen erstellt auf Anfrage Literaturlisten zu speziellen Themen und verzeichnet immer mehr Kundschaft, die nicht aus der engeren Frauenszene kommt: „Das geht dann per 'Sie‘, und wir liefern auch Sammelbestellungen für Seminare, für die VHS oder die Schule für Erwachsenenbildung“, so Tandecki, „und uns ist diese Öffnung sehr wichtig.“ Männer müssen draußen bleiben.
Aber auch Szene-Frauen kommen auf ihre Kosten. Da gibt es nach wie vor das klassische Sortiment an Spekula für die Selbstuntersuchung, Menstruationsschwämmchen und Gel fürs Diaphragma, Doppelaxt-Kettchen und Frauen-Power-Anhänger, Natur-Kosmetika, Tees für den Kreislauf und gegen Menstruationsbeschwerden.
„Hagazussa“, das ist die Grenzgängerin, die „auf dem Zaunpfahl Sitzende“, die zwischen den Welten Balancierende. „Das versuchen wir immer noch: Trotz Professionalisierung und ökonomischem Druck nicht 40 Stunden in der Woche zu arbeiten, Treffpunkt und Kommunikationsort zu sein, Anregungen zu geben und zu bekommen.“
Pünktlich zum Geburtstag ist das erste vom Ladenkollektiv herausgegebene Buch da: „Die Welt neu erfinden; über das Schreiben und Lesen von Lesbenliteratur“, entstanden nach dem Bremer „Lesben-Literatur-Monat“ im Herbst 1988. Da gibt es einen historischen Rückblick auf Lesbenliteratur und lesbische Autorinnen, Gedichte und Texte über lesbisches Leben und Schreiben und einen ausführlichen, 27seitigen kommentierten Anhang mit lieferbarer Lesbenliteratur, geordnet nach Themen und Sachgruppen. 135 Seiten, 14,80 Mark. Susanne Paa
Der „Hagazussa-Frauenbuchladen“ ist geöffnet Mo.-Fr. 10-18 Uhr, Sa. 10-14 Uhr, Friesenstraße 12 im Steintor.
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