: Mit dem Konvoi im Bus
Vom Scheitern des ökologischen Umbaus der bundesdeutschen Automobilgesellschaft ■ PRESS-SCHLAG
Es sind an jedem Wochenende Hunderte, manchmal Tausende, die durch die Republik kurven, um ihre Fußballmannschaft zu sehen. Von Düsseldorf nach Nürnberg, von Bremen nach Kaiserslautern oder von Bochum nach Hamburg; jeweils sechs, sieben oder acht Stunden Fahrt und neunzig Minuten Fußball versuchen sich die Waage zu halten. Die Zeiten der Sonderzüge sind fast passe und der Fanbus scheint auch langsam aus der Mode zu kommen. „Da muß man sich immer absprechen, welche Musik man hört, wann man anhält und wann nicht ... das nervt einfach!“
Im Auto gibt es diese Probleme nicht, aber dann ist er doch wieder hin- und hergerissen zwischen Individuationswunsch und Gesellungssehnsucht, der Mobilfan. Also fährt er nicht nur im Auto nicht allein, sondern bildet einen Konvoi. Und da es den Deutschen zur festen Form drängt, gründet er einen Verein. „Der Fanclub führt den Namen Fußballfreunde VfL Autokonvoi Bochum und wurde am 17.3. in der Gaststätte Bierkutscher gegründet“, so steht es in der Satzung. Hoffen wir nur, daß der Rückweg von der Gründungsversammlung im Taxikonvoi angetreten worden ist.
Wir sind Idealisten“, sagt der Vorsitzende Frank Ortmann, hauptberuflich beim ADAC angestellt. „Wir wollen der fairste deutsche Fanclub werden“, so die Maxime. Zwischen fünf und dreißig Pkws treffen sich an einem zentralen Platz in Bochum, laden autolose Mitfahrer ein und dann geht's los. „Wir haben guten Kontakt zur Polizei, die uns teilweise sogar von der Autobahn aus zum Stadion eskortiert.“ 60 Mitglieder hat der Club bereits, das Konvoikonzept scheint ein Hit zu sein.
„Tempo 100? Das geht ja gar nicht. Stell dir nur mal vor, daß wir in einen Stau kommen, dann müssen wir den Zeitverlust doch wieder rausfahren.“ Nein, aber gerast wird nicht im Konvoi. „So 110 bis 120 fahren wir im Schnitt, wir müssen ja auf die PS-Schwächeren Rücksicht nehmen.“
Wie viele das sind, war anläßlich der Fahrt zum Auswärtsspiel beim FC St. Pauli nicht zu überprüfen. Da saßen die Mitglieder des Clubs nämlich geschlossen in einem Bus. Die Mannschaft des VfL Bochum hatte fünf Busse und dreihundert Eintrittskarten kostenlos zur Verfügung gestellt, um sich bei den Fans für das Pokal-Aus in Pforzheim zu entschuldigen.
Wie sollte es anders sein, das Auto war auch im Bus noch Thema. Der Vereinsvorsitzende sinnierte über Auto und Verein als der Deutschen liebste Kinder und befand, daß es wohl mit dem Autokonvoi auf den Punkt gebracht wäre. Auf der langen Rückfahrt durch die Nacht wußte mein Nebenmann mir eindringlich die Vorzüge seines BMWs zu schildern, und hinterher war selbst ich fast traurig darüber, daß mein Auto nicht tiefer gelegt ist. Beim Busreisen zeigten sich aber deutliche Anpassungsschwierigkeiten, zumal im Bus die Volksdroge Alkohol wütete. Einem Mitglied wurde wegen unbotmäßigen Verhaltens gar der Ausschluß angedroht: „Das gibt morgen bei der Versammlung kurzen Prozeß.“ Erst als mein Nebenmann seine Drohung („Ich hau dir gleich ein Mosaik in die Brille.“) annähernd wahrmachte, war dann Ruhe.
Bei der Hinfahrt war der Bus zu spät zum Stadion gekommen, und auf der Rückfahrt erwies sich das vom Alkohol angeheizte Zwischenmenschliche als ausgesprochen anstrengend. So schaute der Vorsitzende Frank Ortmann mitten in der Nacht starr durch die Windschutzscheibe. Er wird sich nach seinem Auto gesehnt haben.
Christoph Biermann.
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