Nur ein toter Brecht ist ein guter Brecht

■ Betr.: DDR - moralisch ausverkauft, taz vom 28.9.89

Freya Klier hat auf ihrer Lesung auch berichtet, daß in der DDR sich in den Kindergärten und Schulen Widerstand unter den Eltern regt gegen die paramilitärische Wehrerziehung. Um diesen Widerstand mundtot zu machen, gehen die verantwortlichen Stellen dazu über, für diese Eltern Abende zu veranstalten, auf denen Texte von Brecht vorgelesen werden, die den nach SED-Leseart „richtigen Klassenstandpunkt“ verdeutlichen.

Dies finde ich bestürzend, weil der kritische Marxist Brecht selber von den SED-Offiziellen, solange er lebte, durchaus nicht geliebt wurde. Sie wertete ihn als „Pazifist“ ab, setzten deswegen die Lukullus-Oper ab. Die SED-Behörden waren offensichtlich besorgt, als sie hörten, bei der neuen Oper handele es sich um eine eindeutige Verurteilung jeden Krieges als Wahnsinn, jeder Eroberung als Sinnlosigkeit.

Die Mitglieder der Ulbricht-Regierung, die der Aufführung mit wachsendem Befremden beiwohnten, verließen erbost den Saal. Die SED-Kulturbürokratie zwang Brecht, seine Lukullus -Oper umzubenennen und umzuarbeiten, bevor die in der DDR wieder aufgeführt werden durfte. Auf dem IV Deutschen Schriftstellerkongreß (1956) merkte Brecht an, daß die DDR -Theater bedauerlicherweise zu den wenigen Theatern in Europa gehörten, die seine Stücke nicht aufführten.

Kurz vor seinem Tod brachte er gegenüber dem Rredakteur Heinz Zöger seine Verbitterung über die stalinistische Politik Walter Ulbrichts zum Ausdruck. Konsequenterweise verbat er sich Trauerreden von Vertretern der SED -Nomenklatur an seinem Grab.

Die Vereinnahmung Brechts und die Benutzung von Teilen seines Werkes als Totschlagargument gegen pazifistisches Denken in der DDR ist obzön.

Martin Rooney

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