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Auslieferung steht bevor

Wird der Berliner Totalverweigerer Gerhard Scherer den westdeutschen Justizbehörden übergeben?  ■ D O K U M E N T A T I O N

Seit nunmehr einem Jahr versuchen die Justizbehörden der Bundesrepublik, den Totalverweigerer Gerhard Scherer mit Amtshilfe der Berliner Behörden zu inhaftieren. Bisher scheiterten diese Versuche am besonderen entmilitarisierten Status der Stadt. Gestern war der letzte Termin, bis zu dem sich Gerhard Scherer in der Vollzugsanstalt Rottweil/Neckar stellen sollte, um eine fünfmonatige Freiheitsstrafe abzusitzen. Scherer benutzte die vom Berliner Senat für Carl von Ossietzky abgehaltene Feierstunde, um auf seinen Fall aufmerksam zu machen. Wir dokumentieren aus aktuellem Anlaß eine Erklärung der Internationalen der Kriegsdienstgegner e.V. Berlin (I.D.K) zur Totalverweigerung: „Heute Warme Worte - morgen kalte Taten.“

Am Vorabend von Carl von Ossietzkys Geburtstag hält der Senat Festreden und räumt ein Buffet ab - und am nächsten Tag muß ein totaler Kriegsdienstverweigerer mit seiner Abschiebung rechnen. Gedenkfeiern zu Ehren des „politischen Pazifisten“ (Ossietzky, 4.10.1924 in „Das Tagebuch“) verkommen zur Farce, wenn man seinesgleichen, nämlich kompromißlose Kriegsdienstgegner, wie damals dem Gefängnis ausliefert.

Ossietzky zur Kriegsdienstverweigerung: „Aber es ist das Mißgeschick der jüngsten, der militantesten Gruppe, die die individuelle Kriegsdienstverweigerung propagiert, daß auch ihre These von der Entwicklung überflogen wird, ehe sie noch richtig Verbreitung gefunden hat. (...) Wenn im Augenblick der Kriegserklärung kolossale Luftgeschwader über die Grenzen kommen und den Gastod herabschleudern, was bedeutet dann der Ruf 'Ich spiele nicht mit!‘ (...) Nein, mit der Verweigerung militärischer Dienstleistungen ist es nicht getan.“ ('Weltbund‘, 19.2.1929)

Scherer soll auf der Grundlage von Gesetzen, die in Berlin keine Geltung besitzen, in die BRD ausgeflogen und inhaftiert werden. Keine Abschiebung! Keine Amtshilfe in Militärstrafsachen! „Schon im Frieden müssen die Höllennester ausgenommen werden, wo die Instrumente des Krieges fabriziert werden.“ (Ossietzky)

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