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Schwarze Löcher

 ■ S T A N D B I L D

(Republikaner ohne Republik: Carl von Ossietzky, ARD, 23 Uhr) Gedenken kann Formalität sein, zumal in einem Jahr, das wie ein Mausoleum der Geschichte mit runden Geburtstagen nur so angefüllt ist. Gedenken als lästige Pflicht, der man sich in einer gezwungenen Geste zu entledigen sucht: der Kranz vor dem Denkmal, die Gedenkminute, die manchmal recht großzügig als Gedenkstunde abgehalten wird, gesalbte Worte von Idealen und Taten - oder ein Film wie dieser zum 100. Geburtstag von Carl von Ossietzky.

Schon der Termin der Ausstrahlung garantiert, daß die Berufsseher, die versehentlich Sitzengebliebenen, die Eingeschlafenen unter sich sind. Dazu kommt dann noch ein Häuflein tatsächlich Interessierter, die zu viel über Carl von Ossietzky wissen, um sich von dem Film wirklich angesprochen zu fühlen. Was bleibt, ist der Eintrag in allen Programmzeitschriften, damit jeder zur Kenntnis nehmen kann, wie die ARD ihrem Bildungsauftrag pflichtschuldigst nachgekommen ist. Die Klage um den schlechten Sendeplatz mag so alt sein wie die Fernsehgeschichte; zu einem Film, der fortwährend die hehren Worte vom unbestechlichen Journalisten, aufrechten Gang und unabhängigen Mahner bemüht, stößt einem gerade dieser Punkt sauer auf. Der verantwortliche Redakteur Klaus Liebe rechnet es sich hoch an, dem Film eine längere Sendezeit verschafft zu haben: eine Stunde statt der üblichen 45 Minuten. Na und? Andere Sendungen, da muß man gar nicht den großen Überzieher Frank Elstner anführen, nehmen sich einfach die Freiheit, länger zu sein als geplant. Mutig hat sich Klaus Liebe um ein Viertelstündchen bemüht, das nun vom schwarzen Loch der Nichtbeachtung verschluckt wird.

Wenn die Geschichtsredaktion Ossietzky tatsächlich für den großen Deutschen, den Republikaner ohne Republik hält, dann hätte sie sich um mehr als einen Abschiebeplatz bemühen müssen. Da reicht auch nicht der Hinweis, man habe schon um diesen Ausstrahlungstermin kämpfen müssen. Wo hat der Kampf stattgefunden? In der Öffentlichkeit? Nein, im Sender. Und dort hat sich längst das verabschiedet, was die Autorin Elke Suhr an Carl von Ossietzky so bewundert: Mut, Konsequenz, Festhalten an Idealen. Der Kampf gegen die Bastionen des deutschen Fernsehalltags mag aussichtlos erscheinen; wenn man es nicht versucht, bleibt ein Film wie dieser nichts weiter als eine einzige Entschuldigung.

Christof Boy

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