Düstere Prognose für Wahlen in Namibia

■ Deutscher Jurist legt nach Namibia-Reise Bericht vor / Vorwürfe gegen Südafrika Wahlgesetze ermöglichen Manipulationen / Statt freie Wahl Wahlfarce befürchtet

Berlin (taz) - Als prekär hat der deutsche Jurist Prof. Dr. Norman Paech, der sich im Auftrag der „Internationalen Vereinigung Demokratischer Juristinnen und Juristen“ (IVDJ) im September in Namibia aufhielt, jetzt in einem Bericht an seine KollegInnen die Situation in Namibia beschrieben. Sollten die mittlerweile für den 7. bis 11.November vorgesehenen Wahlen unter den von Südafrika vorgeschlagenen Wahlgesetzen stattfinden und der UNO-Repräsentant in Namibia, Marti Ahtisaari, nicht schnellstens entscheidende Passagen „drastisch umarbeiten“, dann wäre das von der UNO postulierte Ziel „freier und fairer Wahlen“ eine Farce. Paech geht in dem Bericht nur am Rande auf die „Mittel des Terrors und der offenen und versteckten Einschüchterung“ im Land ein. Die Ermordung des Rechtsanwalts Anton Lubowski, einziges weißes Mitglied im Sekretariat der Befreiungsorganisation Swapo, wie auch Morddrohungen gegen weiße Mitglieder und Sympathisanten der Swapo zeigten, daß eine militante weiße Südafrika-orientierte Minderheit vor keinem Mittel zurückschrecke, den Unabhängigkeitsprozeß der letzten Kolonie Afrikas und einen Sieg der Swapo zu torpedieren.

Jenseits schmutziger Finger seien aber gerade Gesetze des langjährigen Besatzers, „die den Gang der Wahlen und die Ausarbeitung der Verfassung beeinflussen“, äußerst erfolgversprechend. „Das Ausmaß der in ihnen enthaltenen Manipulationsmöglichkeiten erschließt sich nur nach ihrem genauen Studium, verblüfft dann aber umso mehr“, schreibt der Jurist im Resümee des 16seitigen Papiers, das sich mit „Untiefen“ bei der Wählerregistrierung, dem Wahlvorgang sowie der Konstituierung der Verfassunggebenden Versammlung befaßt.

Schon bei der Registrierung der WählerInnen habe sich gezeigt, was es heißt, wenn der langjährige Opressor auch noch die Wahlen zur Unabhängigkeit organisiere und eben nicht - wie in Zimbabwe - die UNO. Diese hat in Namibia nur „Aufsichtsrechte“ und sei, so Paech, bisher erfolgreich von Südafrika abgebügelt wurde. Alle Registrierungsbeamten seien vom südafrikanischen Generaladministrator Louis Pienaar ernannt worden. In deren Belieben lag es, Identität und Nationalität der WählerInnen anzuerkennen.

Blickt man auf die Wahlen, dann sieht es noch düsterer aus. Die hohe AnalphabetInnenrate mache es WählerInnen schwer, die Symbole der Parteien zu unterscheiden. Nicht Personen des Vertrauens, sondern vom Generaladministrator Pienaar bestimmte Wahlbeamte sollen beim Ausfüllen „helfen“. Einschüchternd wirkt vor allem, daß die Polizei, die die Bevölkerung jahrzehntelang terrorisierte, vor Ort sein wird. Parteien dürften vor Ort nicht auftauchen und von der Friedenstruppe Untag ist nur am Rande die Rede. Auch ein nationales WählerInnenverzeichnis sei nicht vorgesehen. Eine Geheimhaltung der Stimme sei auch nicht garantiert, da die Registrierungsnummer der WählerInnen auf dem Umschlag verzeichnet werde. Laut Paech gibt es genug Möglichkeiten, Wahlzettel auf ihrem langen Weg nach Windhuk zu fälschen. Entlarvend wird das „Verfassungsverständnis, welches den ganzen Entwurf durchzieht und auf die Verlängerung der Besatzungsmacht selbst über den Zeitpunkt der Verabschiedung der Verfassung hinaus abzielt“, beim Blick auf die Vorstellungen zur Konstitutierung der Verfassunggebenden Versammlung. Der Generaladministrator herrsche, könne Sitzungen einberaumen oder absagen, Wählbarkeit von Abgeordneten einschränken, den Zeitpunkt des Inkrafttretens der Verfassung bestimmen. Fazit des Juristen: Gelingt es der UNO wie auch den fünf in der Namibia-Frage besonders engagierten Staaten USA, Großbritannien, Frankreich und BRD nicht, diese Gesetze in den knapp vier Wochen bis zur Wahl „entscheidend zu ändern und einen nach internationalen Standards demokratischen Inhalt zu geben“, dann sehe es schlecht für Namibia aus.

Andrea Seibel