: Musik von Heute
■ Das „Kronos-Quartet“ zu Gast in Bremen / Gespräch mit dem Violinisten David Harrington
Alltäglich ist das nicht, daß ein Strreichquartett für Neue Musik, also für das meist unharmonische, immer unromantische und auf jeden Fall wenig besinnliche Gekreisch und Geschepper, Platten verkauft, just als wären sie Karajan persönlich. Alltäglich ist das auch nicht, daß solch ein Streichquartett von Weltrang nach Bremen kommt, vom überquellenden Festivals-Fleischtopf unbehelligt, und hier gleich drei Konzerte in Folge gibt. Alltäglich schon gar nicht, und vielleicht ein Teil ihres Erfolgs, daß das „Kronos Quartet“ aus San Francisco sich nicht nehmen läßt, sich so zu geben, wie es sich für ordentliche, seriöse Künstler nun gar nicht gehört. Nichts mit häßlichen, schütterhaarigen Schmerbäuchen, die sich in ihre Fracks klemmen, nichts mit zart besinnlicher Einfühlsamkeit und vergeistigtem Qualmkopf. Das „Kronos-Quartet“ ist da, in der Jetzt-Zeit und ist deshalb die einzige wirkliche Pop-Gruppe der klassischen Avantgarde.
Was unterscheidet das „Kronos Quartet“ von anderen Streichquartetten?
Unsere Musik wird jeden Tag neuer. Für mich ist das sehr aufregend, zu sehen, was wird der nächste Schritt sein, wie wird die Musik nächstes Jahr klingen? Da sind noch so viele Dinge in der Musik, die noch nicht passiert sind. Und „Kronos“ hat gerade erst angefangen.
Wie erklärst du dir den Erfolg, den ihr mit eurer Musik habt?
Wir suchen eben unser spezielles Publikum. Mir scheint es, daß unser Publikum zu einem Konzert kommt, um gefordert zu werden, um etwas Neues zu hören. Ich glaube unser Publikum kommt aus anderen Gründen als andere. Das hat mit der Musik selbst zu tun.
Es gibt andere Ensembles mit einer ähnlichen Musik, die nicht so einen Erfolg haben.
Dazu hab ich keine schnellen Antworten, außer, daß wir das, was wir tun, seit 12 Jahren jeden Tag tun. Wir haben in jedem denkbaren Ambiente geprobt, in einer finnischen Sauna, in einem schwedischen Bahnhof, auf Flughäfen, in Hotels, und wir spielen Konzerte in sehr verschiedenen Umgebungen, in Konzerthallen, Nacht-Clubs, Opernhäusern. Ich erwarte von unseren Konzerten, daß da etwas Aufregendes passiert. Und ich bin sehr froh, daß das passiert. Ich schau mir das Publikum an, und oft ist unsere Mu
sik sehr fordernd, sehr ungewöhnlich, aber ich fühle mich verantwortlich, die Musik vom Notenblatt zu nehmen und dem Zuhörer zu geben. Das ist unsere Funktion. Alles was wir tun können, um das stattfinden zu lassen, das tun wir.
In welche Richtung wird sich die Musik weiterentwickeln?
Ich denke, wenn man die Vergangenheit richtig tief erforscht, dann wird sie zu einem Teil der Zukunft. Das ist, was Komponisten jahrhundertelang getan haben. Oder das Stück „Salome
Dances For Peace“ von Terry Riley, das ist sehr stark von nord-indischer Raga-Musik beeinflußt, die für mich zeitlos klingt, die klingt, als wäre sie schon immer in der Welt. Und es klingt aber auch irgendwie neu, regeneriert sich. Faszinierend.
Und was ihr jetzt spielt, ist die Musik der Gegenwart?
Für mich ist das der tägliche Prozeß, das ist das Fundament des kreativen Lebens. Jeden Tag zusammen mit den Komponisten, die für uns schreiben, nach dem nächsten Schritt zu suchen. Ich mag das ständige Neu-Zusammenbasteln. Später kannst du sehen, was passiert ist, aber im Moment, wenn du mittendrin bist, ist es sehr schwer, zu sehen, was passiert.
Welchen Platz hat Musik in dieser Welt?
Das Tolle an Musik ist, daß sie niemandem gehört. Es ist etwas, das wir miteinander teilen müssen, für mich ist es ein Teil der Natur, der menschlichen Natur. Es ist wie eine Quelle, an der wir alle gleichen Teil haben. Für mich hat Musik viele Zwecke. Was mich an Musik fasziniert, das sind die Unterschiede, daß man Stücke von Webern und Zorn direkt nebeneinanderstellen kann, und daß das funktioniert. Das ist Magie. Und ein Konzert heißt, die Musik der Welt mit dem Publikum teilen.
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