: Noch ein Finanzskandal bei den Philharmonikern
■ Europatournee mit James Levine zu teuer / Hat Intendant Schäfer sich übers Ohr hauen lassen?
Am Sonntag stand es in der 'Sunday Times‘, Kultursenat und Orchester haben ebenfalls vor wenigen Tagen davon erfahren: Schon wieder ist ein Konzert der Philharmoniker wegen offensichtlich überhöhter Forderungen seitens einer Agentur abgesagt worden. Im vergangenen Jahr waren die finanziellen Machenschaften der E-Musik-Agentur CAMI aufgeflogen, als diese für zwei Konzerte in Taiwan mit Karajan 600.000 Mark verlangt hatte. Diesmal geht es um eine Europatournee mit James Levine im November, bei der sich die Veranstalter in Belgien, Holland, Italien und Großbritannien mit Forderungen von bis zu 250.000 Mark pro Konzert konfrontiert sahen. London hat jetzt abgesagt, das Konzert in Florenz kann nur dank der kurzfristigen Intervention eines Sponsors stattfinden.
Die Agentur heißt Persona Musica, sitzt in München und behauptet, sie habe mit CAMI nichts zu tun. Allein die Tatsache, daß Levine bei CAMI exklusiv unter Vertrag steht und daß Persona Musica Levines Interessen in Europa vertritt, spricht jedoch für das Gegenteil. Karen Villach, die Chefin von Persona Musica, hat die Zahlen bereits bestätigt, 250.000 Mark für Italien findet sie normal.
Wie Orchestervorstand Wedow der taz gegenüber erläuterte, müssen vom Veranstalter aber bloß die Spesen bezahlt werden. Er konnte zwar keine genauen Zahlen nennen, aber die in der 'Sunday Times‘ angegebene Spesensumme von üblichen 120.000 Mark hält er für realistisch. Der Rest ist, wie schon bei Taiwan, Dunkelziffer. Wedow: „Es scheint sich zu verdichten, daß der Verdacht hinsichtlich überhöhter Forderungen auch in diesem Fall stimmt. Das ist für uns sehr deprimierend.“
Eine deutliche Rüge an die Adresse des Intendanten Georg Schäfer, der auch in diesem Fall, so der Senatsmusikbeauftragte Mehlitz, die Tournee organisiert. Offenbar hat Schäfer, entgegen dem seit langem ausdrücklichen Wunsch des Orchesters und entgegen der seit dem Taiwanskandal gesteigerten Vorsicht des Kultursenats, sich auch diesmal wieder von einer Agentur die Arbeit abnehmen lassen. Schäfer soll zwar gekündigt werden, aber das macht die Sache für den Senat nicht besser. Der, so Mehlitz, bemüht sich jetzt um Aufklärung. Fragt sich, warum er, da die Summen ja gar nicht strittig sind, nicht sofort von sich aus Alarm geschlagen hat.
chp
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