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Noriega schlägt Militärrevolte nieder

Sechs Stunden lang besetzten in Panama meuternde Soldaten das Hauptquartier der Armee, das zugleich Amtssitz des eigentlichen Machthabers des Landes ist / Über Rundfunk erklärten sie General Noriega immer wieder für abgesetzt / Doch der kam zurück  ■  Von Ralf Leonhard

Managua (taz) - Die Kugeln seiner Feinde schmeckten ihm wie Küsse, frotzelte Panamas Machthaber General Manuel Antonio Noriega noch vor anderthalb Jahren nach einem Putschversuch. Doch diesmal pfiffen sie ihm eine Dreiviertelstunde lang um die Ohren, bis er unter dem Feuerschutz seiner Leibgarde in seinen Wagen flüchtete. Etwa 200 Soldaten stürmten am Dienstag morgen um acht Uhr Ortszeit (MEZ 14.00 Uhr) das Hauptquartier der Armee , den Amtssitz Noriegas, als dieser gerade das Kasernengelände betrat. Sieben Stunden später rückte der General an der Spitze von 200 ihm ergebenen Elitesoldaten ins noch rauchende Hauptquartier ein, wo ihm die Putschisten ihre Waffen persönlich überreichten.

US-Präsident Bush, der die panamaischen Militärs mehrmals aufgefordert hatte, sich gegen den starken Mann zu erheben, leugnete erwartungsgemäß jede Beteiligung der USA an der Erhebung. Jedoch hatte nach Angaben der 'New York Times‘ und 'Washington Post‘ das Weiße Haus bereits am Sonntag Hinweise auf Putschpläne erhalten und war darauf vorbereitet, die Auslieferung Noriegas zu beantragen.

Washington versucht den Armeechef, der in den USA wegen Drogenhandel angeklagt ist, seit über zwei Jahren durch Wirtschaftssanktionen, diplomatischen Druck und Unterstützung der Rechtsopposition zum Rücktritt zu zwingen.

Mehrere Stunden herrschte Unsicherheit über den Ausgang der Rebellion, zumal sich die „jungen Offiziere“ nicht nur der strategisch wichtigen Kaserne in der Altstadt, sondern auch des offiziellen Senders „Radio Nacional“ bemächtigt hatten. Dieser wiederholte alle paar Minuten die Erklärung der Rebellen, die Noriega und fünf weitere hohe Offiziere, darunter den Generalstabschef Oberst Marcos Justines, für abgesetzt erklärten. Sie beriefen sich auf den Geist der nationalistischen Revolution unter Omar Torrijos, die vor 21 Jahren eine korrupte Zivilregierung abgelöst hatte.

Um zu beweisen, daß sie weder von der Opposition noch von den Vereinigten Staaten gekauft worden seien, anerkannten die Rebellen die provisorische Regierung unter Francisco Rodriguez, die am 1. September unter verfassungsrechtlich zweifelhaften Umständen eingesetzt worden war, und der Washington die Anerkennung verweigert. Gleichzeitig kündigten sie „sobald wie möglich“ freie Wahlen unter der Aufsicht der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) an. Der Urnengang vom 7. Mai war nach massivem Wahlbetrug vom Regime selbst annulliert worden. Das Oppositionsbündnis ADOC reklamiert den Wahlsieg für sich.

Die Opposition aber freute sich nun zu früh, als sie eine Jubelfeier in der Calle 50, der wichtigsten Geschäftsstraße im vornehmen Bankenviertel, inszenierte. Die ADOC-Kandidaten Guillermo Endara und Ricardo Arias Calderon, die die Bevölkerung seit zwei Wochen zum zivilen Ungehorsam aufrufen, zogen es angesichts der Lage vor, unterzutauchen. Man vermutet, daß sie in einer der US-Militärbasen oder in der Apostolischen Nuntiatur Schutz gesucht haben.

Die 12.000 Mann starken US-Truppen des Südkommandos, die im Bereich der ehemaligen Kanalzone stationiert sind, wurden in höchste Alarmbereitschaft versetzt. Kampfflugzeuge und Hubschrauber der US-Luftwaffe kreisten vormittags über der Stadt und einige Panzer der US-Kräfte rückten aus. Nur 600 Meter vom panamaischen Hauptquartier entfernt gingen US -Soldaten in Kampfanzügen in Stellung.

US-Truppen hätten auch die Zufahrtsstraße zum Fort Amador abgesperrt, wo fünf seiner Elitekompanien stationiert sind, meldete General Noriega, der mit einem Fernsehauftritt am späten Nachmittag alle Zweifel über sein Schicksal ausräumte. Der Armeechef, der im Kampfanzug und in Begleitung des Generalstabs vor der Kamera erschien, beschuldigte die USA, die Revolte von Anfang an vom Südkommando gesteuert zu haben. Alle in die Erhebung verwickelten Offiziere seien in Untersuchungshaft, bis auf zwei, denen es gelungen sei, in die US-Basis Fort Clayton zu flüchten.

Anführer der Militärerhebung war der Major Moises Giraud, der das „Urraca-Bataillon“, eine Art von Rangertruppe, die in der Zentralkaserne stationiert ist, befehligt. Außer ihm hatten der Kavalleriekommandant Hauptmann Javier Licona, der Kommandant eines Sonderkommandos, Hauptmann Jesus Palma, und der Befehlshaber der Polizeikompanie, Hauptmann Edgardo Sandoval, das Manifest unterschrieben. Die Rebellen sind offenbar davon ausgegangen, daß weitere Einheiten zu ihnen überlaufen würden.

Schon zwei Stunden nach Beginn der Meuterei - der Rundfunksender war bereits zurückerobert - umstellten jedoch loyale Eliteeinheiten vom „Bataillon 2000“, den „Tigern von Tinajita“ und den „Pumas von Tocumen“ mit Panzern und Artillerie das Hauptquartier der Armee. Von den Dächern der umliegenden Gebäude attackierten Noriega-Truppen die Besetzer des Komplexes mit Handgranaten und automatischem Gewehrfeuer. Im Inneren des brennenden Hauptquartiers fanden den ganzen Vormittag über heftige Gefechte statt. Aus dem brennenden Gebäude war immer wieder Gewehr- und Granatfeuer zu hören. Schwarze Rauchwolken stiegen über der Kaserne auf, die von Hubschraubern der Luftwaffe überflogen wurde. Gegen 14.30 Uhr Ortszeit gab der Regierungssender bekannt, daß sich die Rebellen ergeben hätten. Über die Anzahl der Toten und Verletzten herrscht noch Unklarheit.

Der siegreiche Noriega ließ eine Ausgangssperre von 20 Uhr bis fünf Uhr früh verhängen und verbot jede Art von öffentlichen Demonstrationen. Der 51jährige Geheimdienstchef hat in den letzten 20 Monaten bereits eine Militärrevolte und einen Putschversuch des von ihm selbst eingesetzten, ehemaligen Präsidenten Eric Arturo Delvalle überstanden. Noriega verdächtigt die USA, ihre Militärbasen in Panama über das Jahr 2000 hinaus erhalten zu wollen.

Am 31. Dezember 1999 soll Panama nach den Torrijos-Carter -Verträgen von 1978 die volle Souveränität über die einstige Kanalzone und den interozeanischen Wasserweg erhalten. Der Armeechef, ein langjähriger Verbündeter Washingtons und Vertrauensmann der CIA, weigert sich, die Zügel aus der Hand zu geben, solange die USA nicht von ihrer Destabilisierungspolitik ablassen.

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