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Töpfer ruft den Gift-Notstand aus

■ Nach der Schließung des Antwerpener Hafens können gefährliche Chemieabfälle nicht mehr entsorgt werden / Die „seit langem erkennbare Entsorgungskrise“ ist jetzt voll ausgebrochen / Emden bleibt hart

Bonn (taz/dpa) - Umweltminister Töpfer (CDU) hat gestern den Entsorgungsnotstand in der Chemie-Industrie ausgerufen. Bei den chlorkohlenwasserstoffhaltigen Abfällen, die bisher überwiegend auf hoher See verbrannt wurden, gebe es derzeit keine Möglichkeiten der ordnungsgemäßen Beseitigung. Wie Töpfer weiter mitteilte, kann dieser besonders gefährliche Giftabfall nicht mehr wie bisher über den Hafen in Antwerpen auf das bundesdeutsche Verbrennungsschiff „Vesta“ umgeschlagen werden, da die belgische Regierung keine weitere Genehmigung erteilt hat. Bereits vor zwei Jahren hatte Belgien - damals nur vorübergehend - den Hafen für die deutsche Giftverbrennung gesperrt. Erst nach Interventionen Töpfers, der nach Brüssel gereist war, um die belgische Umweltministerin weichzukneten, hatte Belgien nochmals für eine Übergangszeit den Hafen geöffnet.

Die Versuche Töpfers, statt Antwerpen den norddeutschen Hafen Emden für den Umschlag zu nutzen, sind bisher erfolglos geblieben. Nach dem gegenwärtigen Stand des Genehmigungsverfahrens sowie der anhaltenden kritischen öffentlichen Diskussion über eine Verladung dort sei mit einer baldigen Zustimmung der Behörden nicht zu rechnen. Damit sei von jetzt an die Entsorgung derartiger Abfälle nicht mehr gesichert, weil die erforderlichen Verbrennungsanlagen an Land bisher nicht im notwendigen Ausmaß gebaut worden seien.

Töpfer kritisierte, daß es die Wirtschaft bisher versäumt habe, durch die Bereitstellung der notwendigen Entsorgungskapazitäten an Land der „seit langem erkennbaren Entsorgungskrise vorzubeugen“. Vor allem mehrere tausend mittelständische Unternehmen vorwiegend aus dem Bereich der Metall-Oberflächenbehandlung seien nach wie vor von der Beseitigung ihrer Abfälle auf See abhängig.

Der Minister forderte die Länder auf, für eine „umweltgerechte Entsorgung“ dieser Abfälle zu sorgen. Wie die aussehen soll, sagte er nicht. Offenbar fürchtet das Umweltministerium jetzt verstärkt illegale Beseitigungen. Jedenfalls rief Töpfer dazu auf, betroffene Betriebe verstärkt zu überwachen. Bei nicht sachgerechter Beseitigung dieses Industriemülls müßten sie mit einer Einschränkung oder sogar Stillegung ihrer Produktion rechnen.

Die Verbrennung auf See ist bis 1994 zulässig. Spätestens dann müssen ausreichende Beseitigungsanlagen in der BRD vorhanden sein. Im ersten Halbjahr dieses Jahres wurden 14.000 Tonnen auf See verbrannt - insgesamt im vergangenen Jahr knapp 30.000 Tonnen.

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