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Eine 850 Millionen-Produktionstätte für „Kunstwerk“

■ Das Ausstell-Stück von Mercedes Benz wird in Bremen produziert / Werksleiter und Konzern-Vertreter stellten den neuen SLvor

„Es genügt nicht, Facharbeiter zu sein“, sagt Klaus Vöhringer, einer der vier Bereichsleiter der PKW-Produktion der Mercedes-Benz-AG. Dazu gehört mehr und das Bremer Werk hat aus seinem Bestand an bewährten Arbeiteskräften von der 190'er Produktion „die Besten“ herausgenommen, um das Flagschiff, den neuen SL-Roadster, des Konzern qualitätsgerecht herzustellen.

Daimler, so die Philosophie, darf nur das Beste produzieren. An wenigen Orten außerhalb der philosophischen Seminare ist so viel und so euphorisch von „Philosophie“ die Rede wie in den oberen Etagen von Mercedes Benz. Daß man das Aushängeschild der Mercedes Benz-Produkte den Bremern anvertrauen könnte, war am Anfang überhaupt nicht klar und machte auch später, als die Entscheidung zu fallen drohte, vielen „aus Sindelfinger Sicht“ Bauchschmerzen. Stolz zeigten gestern Vorstands-Vertreter aus Stuttgartrer Konzern -Zentrale und die Bremer Werksleitung Journalisten die Produktionsanlagen. Nur die groben Karosserie-Arbeiten werden weitgehend automatisch mit Robotern ausgeführt, schon die feineren Schweißarbeiten werden,

im Unterschied zur 190er Produktion, von Hand gemacht - bei den kleinen Serien „lohnen“ die teuren Automaten nicht. 80 Stück des teuren Sport-Coupes sollen täglich aus dem Werk herausrollen.

Besonders stolz sind die Auto

bauer auf eine spezifische Kombination von Automation und Handarbeit bei der Fertigung dieser kleinen Serie. Am Rahmen wird zu Beginn der Produktionsstraße ein „Chip“ befestigt, der alle Detail-Informationen zu dem neuen Wagen enthält. Nicht nur Sonder

wünsche von Kunden bis hin zur Farbgestaltung sind da zu berücksichtigen, sondern auch nationale Vorschriften. Aus dem Chip werden einzelne der Roboter sogar direkt gesteuert, wenn spezifische Bolzen gesetzt werden müssen. Im Chip werden Prüf-Ergeb

nisse gespeichert, da werden auch die Namen der prüfenden Arbeiter festgehalten.

Unter den technischen Neuerungen, mit denen Mercedes seine Position an der Spitze der Auto-Technik behaupten will, ist das versenkbare Coupe-Deck. Jeder SL wird mit zwei „Dächern“ produziert: Wenn der Verdeck-Bezug versenkt ist, kann auch das feste „Winter„-Dach aufgesetzt werden. Es übersommert in den Garagen... Obwohl die SL-Roadster zu über 50% in die USA gehen, wird man doch in der Umgebung von bremen die meisten auf den Straßen sehen: nach einer werksinternen Prüfung, die einer Nutzung über 1000 Kilometer entspricht, werden die ersten 30 Kilometer Probefahrt im Bremer Umland absolviert.

Daimler hat in Brmen 850 Millionen Mark für die SL -Produktion investiert. Weit über 14.000 Beschäftigte hat das Werk derzeit, kaum zählbar die indirekten Effekte für die Bremer Wirtschaft. Stolz verweisen die Bremer Autobauer immer wieder auf die Zahlen. Und auf die Verdienste des Prof. Dr. h.c. Werner Niefer vom Vorstand, ohne den der Beschluß für den Aufbau des Bremer Werkes nicht gefallen

wäre...

An der Zukunft des Automobils haben die von Merdecedes Benz keine Zweifel. Zwar werde das Straßennetz nicht mehr wachsen, meinte der PR-Chef aus Stuttgart, Wischhof, aber über diese Straßen können durch „intelligente“ Verkehrslenkung mehr Autos fahren. Über Computer werde in Zukunft das Verkehrsaufkommen erfaßt, die PKW's werden auf Umleitungswege geleitet. 1993 wird das Autotelefon preiswert und in Scheckkartengröße zum Standard gehören.

Bei den „Innereien“ hat der SL eine Vorreiter-Funktion für die niederen Daimler-Modelle. Die Kilometer an Kabeln und die Vielzahl elektronischer Geräte richtig einzusetze, grenze an ein „Kunstwerk“, formulierte der PR-Chef. Dem Bremer Werksvertreter Dr. Zeyfang reichte es, wenn das als „gutes Handwerk“ gelobt würde. Zum Handwerk gehört es nach alter Daimler-Tradition, die Türen so einzusetzen, daß beim Zuschlagen das satte, dunkle „Bäng“ ertönt. Der Ton ist so Typen-typisch, daß die Kundin daran ihre Marke auch in einer sonst stockfinsteren Nacht erkennen kann ...

K.W.

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