: EIN FALL FÜR ZWEI
■ „Santerre“ von Peter Brasch im Renaissance Theater Studio
Eine der wenigen kritischen Veranstaltungen zum Jubiläum der Großen Bürgerlichen Revolution findet natürlich fernab der Orte statt, an denen Betrogene ihre schon 200 Jahre währende Erstarrung gründlich abfeiern. Die Distanz kann gar nicht groß genug sein: Für Peter Braschs Legende aus der Französischen Revolution Santerre ist nicht eins der herkömmlichen Off-Theater die angemessene Bühne, sondern das Studio des Renaissance Theaters, die Probebühne eines Hauses also, das sich zielstrebig zum Inbegriff reaktionären Amusements entwickelt hat.
Zu Gast in Klingenbergs Rechtfertigungswinkel ist zur Abwechslung Peter Brasch aus der DDR, der angesichts von 17 Zuschauern in der zweiten Vorstellung die Politik der mangelnden Öffentlichkeitsarbeit seines Brotherrn nur einfach nicht verstehen kann. Schließlich hat er das Stück nicht nur geschrieben, sondern auch inszeniert und spielt selbst, mit einer hübschen Mütze auf dem sympathischen Kopf, den de Sade.
Als Gast ist neben unterschiedlich begabt, aber einheitlich engagiert Spielenden auch Margit Bendokat zu bewundern, eine der bekannten Schauspielerinnen der DDR und Mitglied des Deutschen Theaters Berlin.
Santerre - das ist die traurige Geschichte von Leuten, deren Tat werdende Unzufriedenheit mit den Verhältnissen von denen benutzt wird, die unterschiedliche, aber weitreichende Machtinteressen verfolgen, das ist die Geschichte von Leuten, die zuletzt dastehen als rundum und gründlich Beschissene.
Theater ist Gegenwart. Braschs aktuelle Inszenierung konfrontiert den frei assoziierenden Zuschauer also mit der jüngsten Entwicklung beider Deutschlands, sie erzählt durchaus von erneuerungshungrigen Bürgern eines Staates, dessen Starrheit sich unter der unverschämten Politik der nachhaltigen Zerstörung, die der andere Staat treibt, kaum lösen wird und kann.
Thomas Keck
Peter Brasch, „Santerre“, bis 29.Oktober, jeweils 20Uhr im Renaissance Theater Studio, Knesebeckstr.3, 1/12.
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