BEWEGTE KUNST

■ Weltsicherheitsneuheit im Kunsttransportwesen

Daß auch die Kunst zu Markte gehen muß, ist geläufig. Nur fragt sich: Wie kommt sie dort am besten hin - rein technisch gesehen.

Gemälde, Grafik, Plastiken, Glasmobiles, Papierfaltarbeiten, Raum- und Klanginstallationen, kurzum alles, was zu Kunst gebildet ist, soll in die wohlgeordnete Zirkulationssphäre eintauchen. Besitzverhältnisse wollen dabei unbedingt gewahrt bleiben, auf daß sich der Rezeptionszusammenhang nicht durch einen Raub der Kunst verschieben möge. Um zu bewegen, muß Kunst bewegt werden. Nun darf sich dies auf der Kunstoberfläche mit keiner Spur einzeichnen. Oder in Geldklartext gesprochen: Restaurierungskosten sind durch Vermeidung von Transportschäden zu senken, eine Gefährdung durch Feuer, Wasser, Sturm und Hagelschlag ist auszuschließen. Mit anderen Worten: Wie sind die Reste der Beuysschen Fettecke sicher in die Galerie Sonne gekommen?

Dieses Problem sicherer Kunstbewegung wird hierzulande flächendeckend, fachkräftig und bisher marktbeherrschend von der Kölner Kunstspedition „Hasenkamp“ gelöst. „Ein Unternehmen, das seit etwa zehn Jahren an bewährten Qualitäts- und Sicherheitsstandards festhält“, konstatiert Hans J. Heinrich lobend. Aber: „Das ist bei einer immensen Preissteigerung der Kunstwerke und einer erheblichen Zunahme von Kunstdiebstählen zu wenig.“

Also hat er acht mittelständische Spediteure zum Konkurrenzunternehmen „Artmobil Management“ vereinigt und der verblüfften Fachwelt im Berliner Museum für Verkehr und Technik eine Weltneuheit auf dem Gebiet der Kunsttransportsicherung vorgestellt: einen Lastwagen.

Die Lastwagenidee entspringt der Kostenspirale, wie Heinrich erklärt: „Richtig ist, daß seit vielen Jahren die Prämiensätze für die Versicherung von Kunsttransporten und Kunstausstellungen konstant geblieben sind. Nur: Die Prämie ergibt sich aus dem Wert des versicherten Kunstwerkes. Steigt er - wie seit den 70er Jahren geschehen - im Schnitt um 500Prozent, steigt auch der Prämienbetrag entsprechend.“ Logisch.

Daß Versicherungsprämien Museumsbudgets so weit aufzehren, daß kein Geld mehr für Neueinkäufe bleibt, ist ebenso bekannt wie die daraus folgende Konsequenz: Spitzwege werden unversichert gestohlen.

„Nun kommen ja die Raubüberfälle und Kunsttransporte eher selten vor“, räumt Heinrich ein. „Das Problem besteht eher darin, Kunst rüttelfrei durch die Gegend zu bewegen. Und deshalb sitzt hier auch Professor Stühler von der TU Berlin mit am Tisch.“

Dieser stellt sich erst einmal mit einem unprätentiösen „ich bin Schwingungstechniker“ vor, um die Fragestellung seines Forschungsauftrages präzis zu umreißen: Wo treten Schwingungen an Kunstgegenständen auf, die zu reduzieren sind? Also, das beginnt mit dem Schließen der Kiste, wobei die Schwingung am Kunstobjekt selbst größer ist als an der Außenfläche der Kiste..., und also haben wir den Vibro-Shock -Safe entwickelt. Den schauen wir uns jetzt einmal gemeinsam an.“

Er führt uns in die Empfangshalle des Museums und deutet auf ein Gestell aus Lochblech. „Da haben wir die stabile Bodenplatte, unter die auch ein Gabelstapler greifen kann. Darauf sind dann Stahlfedern und Visco-Isolatoren montiert, auf denen sehr schwingungsarm die Objektträgerplatte aufsitzt. Auf diese nun kann die Kunst, sowohl in einem Klimasafe als auch ohne denselben - zum Beispiel eine größere Skulptur - plaziert, beziehungsweise fixiert werden. Zu beachten ist noch die völlig umlaufende und breite Griffleiste, die die Gefahr eines aus-der-Hand-Rutschens des Transportbehälters reduziert.“

Kunst, derart schwingungsarm verpackt, kann so endlich der Obhut des Speziallastwagens übergeben werden, der vor der Museumstür wartet. Auch er ist luftgefedert, vollklimatisiert mit Heizung und Kühlung, besitzt ein eigenes Luftfeuchtigkeitsregulierungssystem (Weltneuheit) und ist alarmgesichert. Er verfügt über Euro-Signal und CD -Funk. Das Bordtefelon wird demnächst eingebaut. Bedient wird dieses Vehikel, mit dem das Sicherheitsrisiko in Schach gehalten werden soll, von einer Crew in weißen Overalls, die nach Qualitätskriterien wie „absolute Zuverlässigkeit, Alkoholverzicht, Ehrlichkeit, Einsatzbereitschaft, Verschwiegenheit“ zusammengestellt ist. Wo also könnte Kunst von nun an sicherer aufgehoben sein als - unterwegs?

Die plötzliche Windböe reißt am Klimavorhang des Lastwagens und schleudert ihn gegen die Lastwagenwand. Ja, wenn sich dort nun aber ein echter Leonardo oder Rubens oder Junger Wilder befunden hätte? Zu groß vielleicht, um in einer schützenden Klimabox Platz zu finden? Ein eklatanter Sicherheitsmangel. Und eben dadurch beweist das Artmobil -Management mit der Wahl des Präsentationsortes wirklich avantgardistisches Technologieverständnis: Im Moment ihres Erscheinens sind die neuen Dinge bereits veraltet, museumsreif; sie erzwingt die Produktion von Errungenschaften, die noch besser und sicherer sind.

Doch bis dahin tut sich eine kostensparende Kunstsicherheitsvision auf, in der die Kunstgegenstände dem stationären Sicherheitsrisiko Museum, Galerie oder Sonderausstellung entrissen sind: Verpackt in schwingungsarme Thermoisolationssafes im vollklimatisierten, schwingungsneutralen Bauch einer Speziallastwagenflotte durchstreift die zivile Kunst die Weiten des europäischen Raums, nicht anders als die ständig in Bewegung gehaltenen amerikanischen MX-Raketen unter dem Sand der Wüste Nevada. Derweil betrachtet der Kunstliebhaber daheim getrost die Kunst als Reproduktion. Er weiß ja, daß es sie gibt - die originale Kunst. In gesicherter Bewegung.

A. Modern