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„Berliner Mischung“

■ SPD startet Kampagne für Ausländerwahlrecht / CDU-Politiker sorgt für Eklat auf Podiumsdiskussion

„Alles wie geplant“, versicherte gestern der geschäftsführende Landesvorsitzende der SPD, Hans-Georg Lorenz, und verkündete den Beginn der Kampagne für das kommunale Ausländerwahlrecht für diesen Samstag. Unter dem Motto „Berliner Mischung - erste Wahl“ wollen die Sozialdemokraten in den nächsten Monaten mit Aufklebern, Plakaten, Faltblättern und Diskussionen „die Akzeptanz in der Bevölkerung“ erhöhen. Einige Seitenhiebe auf den Koalitionspartner mochte sich Lorenz nicht verkneifen, nachdem die AL bekanntgegeben hatte, den gemeinsamen Gesetzentwurf am kommenden Freitag allein einzubringen. Der kleinliche Streit um die Terminfrage erwecke in der Öffentlichkeit den Eindruck, AL und SPD seien sich uneinig. Damit biete man den Gegnern des Ausländerwahlrechts „offene Flanken“, meinte Lorenz. Vor der Sommerpause hatten sich SPD und AL darauf geeinigt, einen Entwurf Mitte September einzubringen, die SPD bestand aber auf einer Verschiebung.

„Rotlackierte Faschisten“

Auf eine parteiübergreifende Diskussion über Ausländerpolitik und -wahlrecht hatten sich die Zuhörer am Mittwoch abend im vollbesetzten Saal im Haus der Kirche eingestellt - doch am Ende war man wieder unter sich. Der ökumenische Vorbereitungsausschuß hatte zwei Vetreter von Beratungs- und Wohlfahrtsorganisationen, die ausländerpolitischen Sprecher der Parteien sowie Innensenator Pätzold eingeladen, der sich allerdings durch seinen Staatssekretär Detlef Borrmann vertreten ließ. Nachdem der Vertreter der CDU, Ekkehard Wruck, sein Eingangsstatement vor allem den DDR-Flüchtlingen in der Prager Botschaft gewidmet und ansonsten die Zusammensetzung des Podiums als „linkslastig“ moniert hatte, fühlte er sich von einigen Zwischenrufen aus dem Publikum offensichtlich unbotmäßig brüskiert. Während sich Zuhörer im Saal noch Stichworte für ihre Fragen an den CDU-Politiker notierten, streifte sich der passionierte Motorradfahrer seine Lederjacke über, rief noch einmal „rotlackierte Faschisten“ ins Mikrophon und verschwand. Zurück blieben pein lich berührte Podiumsmitglie der und ein eher verblüfftes Publikum.

Nur am Rande wurden mögliche Auswirkungen der Bonner Ausländerpolitik für Berlin angesprochen. Der rund 300 Seiten starke Bonner Entwurf für ein neues Ausländerrecht ist nach Einschätzung der Fraktionsvorsitzende der AL, Heidi Bischoff-Pflanz, so rigide gefaßt, daß nur noch wenig Spielraum für eine rot-grüne Ausländerpolitik bleibt. Sie forderte deshalb umgehend eine gemeinsame Initiative von AL und SPD gegen den „Schäuble-Entwurf“, was so einfach nicht sein dürfte, nachdem die Bonner SPD weitgehende Zustimmung signalisiert hat. Im übrigen wünscht sich die AL-Politikerin für die Zukunft nur eines: „daß die bundesdeutsche Botschaft in Teheran genauso gastfreundlich wäre wie die in Prag oder Warschau“.

anb

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