Der gescheiterte Zwergenaufstand

WM-Qualifikation: BRD - Finnland 6:1 / Eine starke zweite Halbzeit läßt den tapferen Kickern vom Polarkreis keine Chance / Enthusiasmiertes Westfalen-Publikum bejubelt sogar den Bayern Augenthaler  ■  Aus Dortmund Christoph Biermann

Der Treffer von Claus Oehler änderte nichts an der Niederlage. Die Auswahl des Deutschen Fußball-Bundes unterlag gegen Finnland mit 1:2 - das war allerdings vor 66 Jahren, am 12.8.1923 in Dresden. Danach gab es für die Fußballer aus dem Land der Skilangläufer nur noch Niederlagen, zwölf in Serie mit einer Trefferbilanz von deprimierenden 6:60 Toren. Vielleicht hat Finnlands Nationaltrainer Jukka Vakkila deshalb seine Trainerausbildung in Köln gemacht. Hinterher gratulierte er in bestem Deutsch: „Deutschland hat supergut gespielt.“

Der Aufstand der Fußballzwerge vom Polarkreis war jedenfalls auch beim dreizehnten Versuch bitter gescheitert. Dabei hatte Vakkila sogar noch einen draufgegeben und den kleinsten Berufsfußballer, den ich je gesehen habe, aufs Feld geschickt: Marko Myyry ist gerade 1,60 Meter groß. Der Spieler, der in diesem Jahr aus dem Emsland vom SV Meppen zum SC Lokeren nach Belgien wechselte, sieht eher wie ein Balljunge aus.

Aber ein emsiger Fußballzwerg allein reichte eben nicht. Nach nur zwölf Minuten stand es 1:0. das Dortmunder Fußball -Hätschelkind Andreas Möller hatte sich sein erstes Länderspieltor für die Fans im Westfalenstadion aufgehoben. Da schwappte die notorische „La ola„-Welle durchs Stadion und brachte die Jungs von Franz Beckenbauer erst mal aus dem Tritt. Nach einer Viertelstunde war „die gesamte Bewegung nicht so rhythmisch“, wie es der Kaiser kunstvoll beschrieb. Da passierte nicht mehr viel, außer das die Finnen sich anschickten, die Abwehr der bundesrepublikanischen Nationalmannschaft gelegentlich heftig zu erschrecken. So forderten die murrenden Zuschauer kurz vor der Halbzeit sogar ihre Borussia.

Die Entertainer

Das hatte der Teamchef geflissentlich überhört und lobte hinterher die zahlenden Gäste: „Das Publikum war seit langer Zeit mal wieder eins, wie wir uns das für die Nationalmannschaft wünschen. Fußballer sind Entertainer und die brauchen ihr Publikum.“

Vielleicht lag es auch daran, daß die Entertainer nach der Pause dann auch wirklich entertainten. In der zweiten Halbzeit war einfach alles eitel Flutlichtschein. In den ersten fünfzehn Minuten nach dem Wechsel trafen Littbarski, Klinsmann und Völler zum 4:0-Zwischenstand. Auf einmal spielten fast alle gut. Beckenbauer hatte sogar einen Lothar Matthäus gesehen, der „eines seiner besten Spiele in der Nationalmannschaft gemacht hatte“. Publikumsliebling war aber wieder einmal Stürmer Völler, dessen Eltern ihn zurecht mit einem solch klassischen Fußballnamen ausgestattet haben: „Ruuuuuddiiii!“ Aber auch Leichtathletikfußballer Jürgen Klinsmann und der Frankfurter Uwe Bein, für den Italienpläne -kranken Thomas Häßler gekommen, spielten zeitweise brillant.

Dankbar schütteten die 40.000 Zuschauer das Füllhorn über den bundesdeutschen Kickern aus. Als es von der Südtribüne sogar Sprechchöre für den Libero Klaus Augenthaler gab, vom im Ruhrgebiet verhaßten FC Bayern, war alles längst rosarot, auch für Augenthaler: „Das war für mich das Beste am Spiel, das war einfach sensationell.“

Vieleicht wäre es für die Spieler aus Oulu und Rovaniemi nicht ganz so schlimm gekommen, hätte nicht Mika Lipponen eine Viertelstunde vor Schluß den Anschlußtreffer gewagt. Diese Vorwitzigkeit provozierte die bundesdeutschen Kicker noch zum fünften und sechsten Tor durch Möller und Matthäus.

Ein Journalist aus Stuttgart hatte zu diesem Zeitpunkt allerdings mit ganz anderen Problemen zu ringen. Längst war Ari Hjelm von den Stuttgarter Kickers eingewechselt worden, und sein Mannschaftskamerad Kari Laukkanen hütete das Tor bereits von Beginn an. Immer wieder mußte er kopfschüttelnd konstatieren, daß bei diesem Länderspiel mehr Spieler von den Kickers als vom VfB auf dem Platz waren. Den vertrat nämlich allein Guido Buchwald.

Das letzte Spiel

Aber solch lokale Problemstellungen müssen hinter den nationalen natürlich zurücktreten. Gewinnt die Nationalmannschaft in fünf Wochen ihr letztes Qualifikationsspiel gegen Wales, ist sie für Italien in jedem Fall qualifiziert.

BRD: Illgner - Augenthaler - Reuter, Buchwald, Brehme Matthäus, Möller (80. Mill), Littbarski, Häßler (46. Bein) Klinsmann, Völler

FINNLAND: Laukkanen - Lahtinen'Europäus, Heikkinen, Holmgren - Ukkonen, Myyry, Ikäläinen (66. Hjelm), Tarkkio Paatelainen (66. Lius), Lipponen

TORE: 1:0 Möller (11.), 2:0 Littbarski (47.), 3:0 Klinsmann, (53.), 4:0 Völler (61.), 4:1 Lipponen (74.), 5:1, Möller (80.), 6:1 Matthäus (84./Foulelfmeter)

Tabelle der Gruppe 4: 1. BRD 11:2 Tore/7:3 Punkte, 2. Niederlande 3:1/6:2, 3. Finnland 4:13/3:7, 4. Wales 2:4/2:6

Restprogramm: 11.10. Wales - Niederlande, 15.11. BRD Wales, Niederlande - Finnland.