: Montag/Dienstag/Mittwoch
Für die einen sind die wenigen Minuten unter der heißen Dusche die einzige Rettung, andere wieder drehen sofort am Radioknopf, denn die sind ja immer schon vor einem wach. Und die Literaturfreunde haben zur Zeit ganz besonderes Glück mit dem Vormittagsprogramm: In der Reihe Am Morgen vorgelesen gibt es Theodor Fontanes Alterswerk Frau Jenny Treibel, vorgelesen von dem hervorragenden Fontane -Interpreten Gerd Westphal. Gerade ihn gelingt es im bourgoisiekritisch bissigen Werk des selbst eher konservativen Fontane noch diese „unmittebare Erheiterung, Erwärmung, Befriedigung“ darzustellen, die unseren Thomas Mann schon so nachhaltig begeisterte. Das ist doch wirklich ein Grund zum Aufstehen! Jeden Morgen ab 8.30 Uhr eine halbe Stunde im NDR3.
DDR-Unwillen und kein Ende - das vermitteln die derzeitigen Nachrichten über die Flüchtlings- und Aufruhrwelle aus dem anderen Deutschland. Es gibt aber tatsächlich noch Bürger, die nicht „kneifen“, sondern dableiben wollen und sich arrangiert haben. Das heutige Feature von Radio Bremen 2 schildert einen solchen Fall. Autorin Elisabeth Hoffmann hat die Gedanken von Kathrin B., einer anerkannten Ostberliner Literaturkitikerin, aufgezeichnet. Auch Kathrin B. spukte in ihrer Jugend der Gedanke an Ausreise im Kopf herum - er wird ihr jedoch nach und nach suspekt. Sie entschied sich zum Bleiben, obwohl viele ihrer Freunde die DDR verlassen und die engagierte Frau ihr Ausharren immer wieder vor sich selbst begründen muß. Ein sicherlich interessanter akustischer Kontrapunkt zur momentanen Darstellung der Entflohenen. Zurückgeblieben. Um 20.05 Uhr. Dienstag
Das Funkkolleg in NDR 4 hat sich der Kunst verschrieben. Der modernen Kunst, wohlgemerkt! Es soll aufgeklärt werden, warum es so viel wert ist, wenn Andy Warhol auf Kupferplatten pinkelt oder Beuys in eine Museumsecke kackt ein Verhalten, das nicht nur die Stadtväter empört, sondern bei vielen Kunstgängern auf (nachvollziehbares?) Unverständnis stößt. Warum darf Yves Klein seine Leinwände mit Flammenwerfern traktieren. Nicky de Saint Phalle auf die schießen und Lucio Fortuna ihnen mit dem Messer zu Leibe rücken. Für alle, die diesen aggressiven Methoden zeitgenössischer Kunst ratlos gegenüberstehen, ist das Funkkolleg hilfreich. Insgesamt 30 Stunden lang wird versucht, Kunst verständlich zu machen. Daß dieses Unternehmen über ein bildloses Medium, den Rundfunk, übermittelt wird, empfinden die Macher gerade als Chance: Sowohl die „Experten“ als auch die Zuhörer werden gezwungen, genauer auf Sprache zu achten und ihre Phantasie einzusetzen.
Ein lobenswertes Konzept!
Funkkolleg: Moderne Kunst ab heute jeden Dienstag um 17.05 Uhr. Mittwoch
Nach soviel Kopf- und Denkarbeit ein bißchen Amüsement: Der WDR 2 bietet mit seiner Sendung über Die goldene Zeit des Montmatre-Kabaretts Unterhaltung a la carte. Auf einer öffentlichen Veranstaltung im Pariser Etablissement „Mimiche“ beschwörten junge Künstler am 20.3. dieses Jahres die Zeit, in der ein intelligentes, literarisches Kabarett den Spießergeist seiner Zeit in berühmten Stätten wie dem „Lapin Agile“ und dem „Chat Noir“ anprangerten. Der WDR sendet einen Mitschnitt des Rufs nach einem Unterhaltungsgenre, das intelligentes Mitlachen provozieren will und nicht dummes Mitlaufen. Um 21.05 Uhr.
GeHa
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen