Dunkel wie auf Sammetpfoten

■ Die Blues-Sängerin Cindy Peress spielte im „Dicken Engel“

Thorsten Hanke vom „Dicken Engel“ mag in seinem Laden keine Konzerte mehr durchführen. Das Lokal sei seit acht Jahren von Räumlichkeit und Image auf den Blues geeicht, er könne gar nicht mehr zählen, wie oft er dort „Stormy Monday“ gehört habe, und irgendwie reiche es ihm jetzt.

Nur bei einer Dame werde er in Zukunft noch Ausnahmen machen: Bei Cindy Peress. Zum vierten oder fünften Mal stand die schwergewichtige Amerikanerin am Samstagabend auf der winzigen Bühne in der Münchener Straße, mit für sie ungewohnter E-Gitarre um den Hals und flankiert von zwei etwas müde und abgerissen wirkenden jungen Männern. Den einen, Gil Hodgson, hatte sie erst vor wenigen Tagen am Rande eines Festivals im belgischen Gent aufgesammelt, es fügte sich, daß er leidlich Sologitarre spielen konnte und schon war er dabei.Die Stücke probte man im Bus auf der Fahrt nach Bremen.

Wer fehlte, und zwar im doppelten Sinne, war der altgediente Tasten-Mitstreiter Luke Nyman. „He quit“, so die Lady. „Why? “ - „Because he's a rat.“ I see. Wahrer ist, daß der Mini-Band in Amsterdam das Equipment aus dem Bus geklaut wurde und der Keyboarder ohne Gerät nicht mehr wollte.

Doch mehr als um ihn trauerte Mrs. Peress um den Verlust ihrer offensichtlich unersetzbaren akustischen Gitarre. So gab es natürlich Probleme mit dem Sound und dem Zusammenspiel, aber die Atmosphäre im „Dicken Engel“ war familiär genug, um es den dreien (Tom Agterberg spielte Bass) nicht übelzunehmen.

Trotz aller Unbill versprühte die Sängerin gute Laune, überspielte mit Humor manchen Patzer und bedachte wohl jede ZuhörerIn während des Konzerts mindestens einmal mit charmantem Lächeln. Der Auftritt wäre allerdings in die Hose gegangen, wäre Cindy Peress nicht eine überaus

bemerkenswerte Musikerin.

Mit großer Souveränität bewegte sie sich am Sonnabend zwischen Rhythm & Blues, Soul und Rock, mit oft kurzen, präzisen Songs von für mich überraschender kompositorischer Reife, wobei ihre Vorliebe den klassischen Grenzgängerinnen der Genres wie Patti Smith oder Janis Joplin oder den jüngeren, mehr jazz-oder folkorientierten amerikanischen Sängerinnen gehört. Ihre sehr schwarze Stimme kommt in den Balladen dunkel und wie auf Sammetpfoten und in den Rockstücken schneidend und kehlig, daß good old Janis ihre Freude hätte.

Manches blieb nur zu erahnen im „Dicken Engel“, und obwohl Agterberg und vor allem der noch sehr junge Hodgson sich redlich mühten - die sorgfältig produzierte Kassette auf der Rückfahrt im Auto machte deutlich, was Cindy Peress vor allem fehlt: Eine gute Band.

Rainer Köste