piwik no script img

„Bremer Blatt“ kriecht bei Gruner & Jahr unter

■ Bremer Stadtillustrierte gibt dem Hamburger Medien-Konzern Anzeigenakquisition für Marken-Produkte und Vorkaufsrecht

Stadtzeitungen waren einmal Blätter für lokale, alternative Kommunikation. Die Zeiten sind vorbei: Am vergangenen Freitag

wurde die Bremer Stadtillu strierte „Kursbuch“ an den „Prinz-Kommunikation„-Verlag verkauft (vgl. taz 7.10.), einen

überregionalen Stadtillustrier ten-Verbund im Besitz des Jahreszeiten-Verlages. Schon vor Wochen hatte das Bremer Blatt

seine wichtigste Einnahme- Quelle, die Akquisition der „Marken„-Anzeigen (v.a. Tabak), ab 1990 dem Medien-Riesen Gruner & Jahr anvertraut. Gruner & Jahr besitzt gleichzeitig ein Vorkaufsrecht für das Blatt.

„Das ist dann der Abschluß einer Entwickung, wenn man an die Angel von so einem Großen geht“, meint Jürgen Alberts dazu. In seinem Keller in der Kohlhöker Straße wurde das „Bremer Blatt“ als alternative Stadtzeitung im November 1976 aus der Taufe gehoben, im Zeitungsformat und ohne Hochglanz. „Unabhängigkeit“ war das A und O dieser Stadtzeitungen, „finanzielle Abhängigkeiten schlagen immer durch.“ Seitdem das Desinteresse an Politik und die „gesichtslose Integration in die Freizeit-Kultur“ beim Blatt durchschlug, verlor der Blatt-Gründer Alberts das Interesse.

Auf die „Eigenständigkeit und Unabhängigkeit“ sei man „stolz“, schrieb das Blatt im Editorial im Februar 1989, als Gerüchte über Verkaufsverhandlungen kursierten. „Prinz“ hatte aber nur 300.000 Mark geboten.

Der Jahreszeiten-Verlag hatte mit „Prinz“ den Stadtillustrierten-Markt durcheinander gebracht, weil er zwischen Hamburg und München einige Blätter aus dem alten Anzeigen-Verbund „spp“ herauskaufte. Der Verbund, der die teuren überregionalen Anzeigen reinholen sollte und das Bremer Blatt angeschlossen war, wurde unattraktiver.

Die Konkurrenz, der Anzeigenverbund „ksi“, forderte das Bremer „Kursbuch“ ultimativ auf, für farbige Din-A4-Anzeigen das Format zu ändern. Gleichzeitig liefen die Verhandlungen zwischen Bremer Blatt und dem „ksi“, das Kursbuch mußte sich mit der 2. Wahl - „spp“ - zufrieden geben. Das Kursbuch war damit reif für den Verkauf an den Jahreszeiten-Verlag. Die Stadtillustrierten des Anzeigenverbundes „ksi“ suchten sich mit Gruner & Jahr einen finanzstarken Partner.

Für Thomas-Jakob Rüdiger, Mitbesitzer des Bremer Blattes heute, bleibt das Bremer Blatt auch mit der vertraglichen Bindung an Gruner & Jahr unabhängig. Neben der Anzeigenabteilung und der Marktforschung von Gruner & Jahr arbeitet aber auch ein Verlags-Mitglied in Hamburg redaktionell für die 10 in dem Verbund angeschlossenen zehn Stadtillustrierten (mit tip in Berlin wird noch verhandelt), Gruner&Jahr bietet regelmäßig Artikel den angeschlossenen Stadtillustrierten an. Gruner & Jahr will an die jüngeren Leserschichten ran und der Konkurrenz nicht das Werbe-Geschäft überlassen, analysiert Jakob-Rüdiger die Interessen des neuen Partners. Mehr wolle könne aber G&J nicht wollen: Wenn bei einer Stadtillustrierten nach dem Haustarif des Medienkonzerns bezahlt werden müßte, würde sich das Geschäft nicht „lohnen“.

K.W.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen