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Publizistische Begleitmusik-betr.: "Faschisten sind das Produkt der DDR-Gesellschaft", taz vom 27.9.89

betr.: „Faschisten sind das Produkt der DDR-Gesellschaft“,

taz vom 27.9.89

Diese markige Überschrift birgt eine halbe Wahrheit, das heißt eine ganze Lüge: Waren denn beispielsweise auch die österreichischen Nazis der dreißiger Jahre eben nur „Produkt der österreichischen Gesellschaft“, und nicht auch (beziehungswiese vor allem) Produkt von etwas sehr anderem, von jenseits der Grenze einwirkendem? Aber solche Feinheiten sind momentan offensichtlich nicht gefragt - Hauptsache, die DDR kriegt ihr Fett ab. Die große Abwerbeaktion der BRD via Ungarn und ihren Botschaften, jenes von der BRD selbst inszenierte „Flüchtlingsdrama“, braucht eben eine entsprechende publizistische Begleitmusik.

Daß Ihr da nahezu gleichgeschaltet mitmacht, anstatt wenigstens zu fragen, ob diese ganze Aktion überhaupt gerechtfertigt ist, ob sie nicht vielmehr zum Beispiel verheerende Folgen für die wirklichen Flüchtlinge aus den Armuts-, Kriegs- und Verfolgungsgebieten der drei Kontinente hat, ist bedauerlich genug. Wenn Ihr aber obendrein Eure DDR -Berichterstattung jetzt unter der Rubrik „Inland aktuell“ bringt, die heißersehnte Wiedervereinigung also kühn vorwegnehmt, so zeugt diese Peinlichkeit von einer geradezu grotesken Überanpassung.

Hubert Zehrer, Heiligkreuzsteinach

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