: Nach Knüppeln Propaganda
■ Tausende demonstrierten auch Montag abend in mehreren Städten / „Randalierer rotteten republikfeindlich“ / Hermann Kant kritisiert DDR-Medien
Berlin (taz/ap/dpa) - Einen Tag nach den erneuten Zusammenstößen zwischen DDR-Sicherheitskräften und mehreren tausend Demonstranten hat sich die Lage am Montag in Ost -Berlin äußerlich wieder entspannt. Zwischen dem Brandenburger Tor und dem Alexanderplatz waren erheblich weniger Volkspolizisten und Mitarbeiter der Staatssicherheit unterwegs als in den letzten Tagen.
In der Nacht zu Montag hatten wieder Tausende Menschen in mehreren Städten der DDR für Reformen demonstriert. Im Ostberliner Bezirk Prenzlauer Berg hatten Volkspolizisten am Sonntag abend einen Sitzstreik von rund 2.000 Menschen aufgelöst. Nach Augenzeugen wurden mindestens dreißig Menschen festgenommen und weitere verletzt. Zuvor hatten Einheiten der Bereitschaftspolizei einen Protestmarsch der Demonstranten ins Ostberliner Stadtzentrum gewaltsam verhindert. Außerdem hatte ein massives Polizeiaufgebot mit Hunden rund 3.000 Menschen an der nahegelegenen Gethsemanekirche umzingelt, um einen Zusammenschluß beider Demonstrationsblöcke zu verhindern.
Die Ostberliner Zeitungen haben am Montag nur in einer knappen Meldung über die Massenproteste berichtet. Das SED -Zentralorgan 'Neues Deutschland‘ druckte eine Meldung von 'adn‘, „Randalierer“ hätten am Samstag abend versucht, Volksfeste zum 40. Jahrestag zu stören: „Im Zusammenspiel mit westlichen Medien rotteten sie sich am Alexanderplatz und Umgebung zusammen und riefen republikfeindliche Parolen.“ Der Kommentator der 'Jungen Welt‘ schrieb: „In dieser Nacht hat nicht nur der 'dpa'-Korrespondent seine Fotokamera eingebüßt. Die 'Junge Welt‘ auch. Aber wir haben die Augen offen gehabt.“ Bilder aus der Nacht zum Sonntag bewiesen: „Wo die Meute der Westreporter, vor allem die TV -Teams hinzogen, waren Sekunden später ganz bestimmte Typen zur Stelle, die dann prompt für Zoff sorgten. Zum Beispiel, indem sie, untergehakt und 'Keine Gewalt!‘ rufend, im Keil gegen unsere Polizisten losstürmten. Bis dann endlich einer seine blutige Nase in die Westkamera halten konnte...!“
Kritisch hat sich der Vorsitzende des Schriftstellerverbandes der Fortsetzung auf Seite 2
Bericht zu BRD-Reaktionen Seite 4
DDR, Hermann Kant, in einem in derselben Zeitung wiedergegebenen offenen Brief mit der DDR-Medienpolitik auseinandergesetzt (siehe auszugsweise Dokumentation auf Seite 8). Er forderte, sich mit den Gründen der Ausreisewelle „kritisch und selbstkritisch, offen, nicht wehleidig, hart und geduldig“ auseinanderzusetzen. Seine Einschätzung: „Eine Niederlage ist eine Niederlage, und passe sie noch so schlecht in den Vorabend eines gloriosen Feiertages.“
Zwei Mitglieder der DDR-CDU ha
ben sich mit innerparteilichen Kritikern getroffen, die in einem „Brief aus Weimar“ am Rande der Eisenacher Synode die innerparteiliche Situation heftig kritisiert hatten. Die CDU -Zeitung 'Neue Zeit‘ meldete am Montag über das Gespräch, daß sich ihre Anliegen mit vielen Bemühungen der Freunde in den Ortsgruppen träfen. Die Präsidiumsmitglieder hätten erklärt, daß sie die Diskussion auch mit den Unterzeichnern des offenen Briefes fortsetzen wollten.
Die Übergangsstellen in West-Berlin hatten am Montag kaum noch Zurückweisungen von Besuchern zu verzeichnen - 16 ließen sich registrieren; an normalen Tagen sind es zwei bis drei.
In West-Berlin haben unterdessen ehemalige DDR-BürgerInnen, darunter Freya Klier und Lotte Templin, eine Unterstützergruppe für das „Neue Forum“ ins Leben gerufen („Neues Forum West“).
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