piwik no script img

Die SPD und die netteren „Republikaner“

Eine neue Studie über die „Republikaner“, vom Parteivorstand der SPD in Auftrag gegeben, kommt zu dem Schluß, daß deren wesentliches Merkmal eine rechtsextreme Ideologie ist / Bei REPs, die früher SPD gewählt haben, soll das aber so nicht gelten  ■  Von Charlotte Wiedemann

Bonn (taz) - Der nordrhein-westfälische SPD-Geschäftsführer Bodo Hombach war sich vor der Kommunalwahl noch ganz sicher: „Ich wette darauf, daß die Republikaner ihr Ergebnis der Europawahl nicht überbieten werden.“ Die Wette hat er verloren. In zehn der 13 nordrhein-westfälischen Großstädten mit „Republikaner„-Kandidatur holten sie mehr Stimmen als zuvor. SPD-Erkenntnisse zum Thema „Republikaner“ haben also nur begrenzte Gültigkeit, und dies wird sich wenig ändern durch eine neue Studie im Auftrag des SPD-Parteivorstands, die gestern vorgestellt wurde. Ihr Titel: „Weder verharmlosen noch dämonisieren“.

Erstellt wurde die Studie von Infratest und Sinus sowie einer 22köpfigen Projektgruppe mit Wissenschaftlern und Partei-Angestellten. Die Parteiführung hatte die Arbeit nach der Europawahl mit der Frage in Auftrag gegeben, warum rund 20 Prozent der REP-Wähler abtrünnige SPD-Anhänger sind und wie diese möglicherweise zurückzugewinnen seien. Die Ergebnisse wertet der Leiter der Politischen Abteilung in der SPD-Baracke Karl-Heinz Klaer als „sehr überraschend“, obwohl sie es eigentlich nicht sind.

Der wesentliche Unterschied zwischen Schönhuber-Anhängern und Restbevölkerung ist nicht die Sozialstruktur, sondern die rechtsextreme Ideologie, lautet ein Fazit: „Große Teile der REP-Anhänger verharmlosen die NS-Verbrechen und haben rassistische und antisemitische Grundeinstellungen.“ Ihr Denken sei von einem „Wohlstands-Chauvinismus“ bestimmt, der die Früchte des Wohlstands ausschließlich den bundesdeutschen Deutschen vorbehalten will.

Für jene „Republikaner„-Anhänger, die vorher sozialdemokratisch votierten, soll all dies aber nur in abgeschwächtem Maße gelten. Bei ihnen findet sich, so die Studie, „kein geschlossenes rechtsextremes Weltbild“, es fehlten militaristische Gesinnung, Rassismus und großdeutscher Chauvinusmus. Den Aussagen zugrunde gelegt wurden 35 Motivforschungsinterviews. Abgesehen davon, daß dieser Befund keinen Anspruch auf Repräsentativität erheben kann, paßt er auffällig in die bisherige SPD-Linie, sich sozusagen für die „netteren“ Schönhuber-Anhänger zuständig zu sehen.

Die SPD-Geschäftsführerin Anke Fuchs spitzte in einem 'Spiegel'-Interview das Fazit der Studie in einer Weise zu, die den empirischen Daten beinahe Gewalt antut: „Die uns verlassen, sind - im Gegensatz zu anderen Republikaner -Gruppen mit neonazistischem Weltbild - Arbeiter mit Wohnungssorgen, mit Angst vor der Arbeitslosigkeit, die sich bedrängt und mißachtet fühlen.“ Zwar ist erwiesen, daß der ehemalige SPD-Wähler von der Ruhr anders denkt als der ehemalige CSU-Wähler aus Rosenheim. Beide treffen sich aber bei Schönhubers Fremdenfeindlichkeit. Ob diese Ablehnung in rassistischer Weise zugespitzt wird und gegen welche Gruppen sie sich wendet, hängt allerdings nicht nur von der vorherigen politischen Grundeinstellung ab, wie die SPD nun nahelegt, sondern auch von der politischen Konjunktur, der offiziellen Propaganda.

Die Studie selbst liefert ein Beispiel hierfür: Für die erste Jahreshälfte stellten die Forscher fest, daß sich die Fremdenfeindlichkeit auch gegen DDR-Übersiedler richtet. Der Befund wurde in letzter Minute wieder aus dem Bericht getilgt: Es sei eine „offene Frage“, heißt es nun, wie die Rechtsextremen die Übersiedler wahrnehmen würden. Die Korrektur wurde nach den Bildern jubelnder Empfangskomitees auf Bahnsteigen vorgenommen, erläuterte Projektgruppenleiter Klaer.

Politische Schlußfolgerungen will die SPD erst ziehen, wenn die Studie im Vorstand und Parteirat erörtert worden ist. Die Reaktion von Geschäftsführerin Anke Fuchs läßt bereits vermuten, daß die SPD die These 12 des Papiers nicht beherzigen wird. Sie lautet: „Indem den Republikanern von zu vielen Seiten unreflektiert bestätigt wird, daß sie zu Recht gegen politische und soziale Mißstände protestieren, werden sie politisch aufgewertet“, ihr rechtsextremer Charakter vernachlässigt.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen