: RUNKELRUMBA
■ Cosmic Psychos im Loft
Einiges vorweg: Die Cosmic Psychos sind alle Ende zwanzig, haben vorher nie in einer anderen Band gespielt und ihre eigentliche Profession ist eine völlig unkünstlerische. Bassist Ross zum Beispiel blieb bei der letzten Tour zu Hause, weil er keine Vertretung für seine Farm fand und selbst mit dem Traktor über die eigenen Felder rasen mußte. Gitarrist Pete und Trommler Bill nutzen die Abwesenheit ihres muskelbepackten Bassisten, um in Interviews über ihn herzuziehen und zu verraten, daß er früher auf Kiss und Plateausohlen stand.
Die Cosmic Psychos haben nun überhaupt nichts von Glamour und Glitter, tragen natürlich keine Schuhe mit Plateausohlen oder gar Schminke im Gesicht, aber sie haben doch einen Sinn für Verkleidungen, was allerdings erst bei der Zugabe klar wird. Ansonsten geben sie sich eher schlicht: nackter Oberkörper für den Trommler, zwei schmucklose schwarze T -Shirts für den Rest, ganz Kinder der heimatlichen australischen Scholle. Die Bühnenshow ist keine, und demonstriert eher die unheimliche Wirkung von Tranquilizern, auch wenn man davon ausgehen muß, daß es sich hierbei eher um die bewährte australische Dumpf- und Sturheit handelt. (Womit wir die Befindlichkeit der Bewohner des Kontinents im allgemeinen und im besonderen wieder ordentlich zugeordnet hätten, d. S.in) Immerhin lächelt Pete einmal, ich hab's genau gesehen. Und Ross müht sich, wenigstens ein bißchen mit dem Oberkörper zu wackeln, aber die Muskeln scheinen doch zu hinderlich zu sein. Die Ausnahme bildet Bill, im Vergleich zu seinen Kumpels ein Ausbund an Bewegungsfreude, aber eine gewisse Motorik läßt sich beim Trommeln halt nur schwer vermeiden.
Die absolute Starre auf der Bühne, während sie die Geheimnisse des Zwei-Ton-Riffs in den folgenden Minuten in immer neuen Variationen vor uns ausbreiten. Gesang fern jeder Melodie und ansonsten ein Holper-Böller-Sound, der eher was von einem Feuerwerk als von Musik, wie wir sie kennen, hat. Punkrock aus der Steinzeit, und weil die Statur von Ross und Pete an die von Hammerwerfern gemahnt, hat man etwas Angst um die Hälse ihrer Instrumente, die sie starren Blicks mit gewaltigen Pranken umklammern. Außerdem stellt man sich die beiden automatisch beim Zuckerrübenwerfen in der australischen Wüste vor, wo sie aus Versehen einige Aborigines am Kopf erwischen. Das wäre dann genau ihr Humor.
Wenn die Ramones ein 50er-Jahre-Leichenwagen sind, wären die Cosmic Psychos ein 30-Tonnen-LKW. Groß und brachial, einzig dazu da, schweres Zeug langsam fortzubewegen. Komischerweise sind sie dabei sogar ein bißchen elegant, so elegant wie ein 30-Tonnen-LKW halt sein kann. Ihr LKW hat hübsche kleine Verzierungen in Form von mittellangen Gitarrensoli, bei denen das WahWah-Pedal ausgiebig gebraucht wird, Fuchsschwänzen, die an Antennen wedeln, nicht unähnlich, wenn man Fuchsschwänze hübsch findet.
Zur letzten Zugabe kommen sie verkleidet mit Plastik -Wikinger-Helmen samt Hörnern auf die Bühne und verkünden, nun einen Lionel-Richie-Song zu spielen. Die Ähnlichkeit beschränkt sich allerdings auf zwei Zeilen gegröhlten Textes, während sie sich wundern oder zumindest genau auszutesten scheinen, warum und wie solche komischen Geräusche aus ihren Instrumenten kommen, wenn sie sich damit genau vor die Amps stellen. Sie reiben ihre Gitarren und Bässe gegen die Verstärker, schmeißen die Instrumente zu Boden und gucken, was dann rauskommt: immer noch ein infernalischer Lärm. Das geht bis zum Zahnfleischbluten und dann ist es vorbei.
Thomas Winkler
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