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Der Osten rauscht auf 100,6

■ Seit letzten Donnerstag wird der Privatsender 100,6 aus Ost-Berlin gestört / Bei Meldungen über die DDR rauscht es

Noch immer wird der Privatsender 100,6 systematisch von Ost -Berlin aus gestört. Der Senat hat gestern die DDR „nachdrücklich“ aufgefordert, diese Störung, die ein eindeutiger Verstoß gegen die KSZE-Schlußakte und internationale Fernmeldebestimmungen sei, unverzüglich einzustellen.

Seit letztem Donnerstag, zwei Tage vor dem 40. Geburtstag der DDR, operiert der Störsender im Osten. Mitten in den Nachrichten, um 13.03 Uhr war im ganzen Stadtgebiet auf 100,6 nur noch Rauschen zu hören. „Das hörte sich an, wie wenn das Fernsehprogramm zu Ende ist“, berichtete Redakteur Kelle gestern. Erst nach 17.15 Uhr kam auf der Frequenz 100,6 wieder Ton. Daß die Störquelle in Ost-Berlin sitzt, ergab ein Peilauftrag der Bundespost. „Technisch können wir da nichts machen“, bedauerte der Redakteur, „wir sind da auf die Politik angewiesen.“ Doch bislang hat der Protest des Senats nichts genutzt und auch die Intervention des Staatssekretärs der Bundesregierung, Bertele, bei den DDR -Behörden blieb fruchtlos.

Die „Störer“ im Osten sind ausdauernd. Systematisch, so wird aus dem Sender berichtet, werden alle Meldungen, die die Situation in der DDR betreffen, unterbrochen, auch einzelne Beiträge in Nachrichtensendungen. „Da muß einer sitzen, konzentriert mithören und, sobald das Wort 'DDR‘ fällt, auf den Störknopf drücken“, meint der Schamoni -Redakteur.

Nach der Totalstörung vom letzten Donnerstag hört man das planmäßige Rauschen jetzt nur noch in Ost-Berlin, der DDR und den Randbezirken von West-Berlin. Im City-Bereich kann 100,6 normal empfangen werden.

Schon einmal hat Ost-Berlin zu solch subversiven Maßnahmen gegriffen, als ihr die Berichterstattung eines West-Mediums nicht genehm war. Das Ost-Magazin „Glasnost“ des Alternativ -Senders Radio 100 in der Potsdamer Straße wurde im Frühjahr letzten Jahres wiederholt gestört. Auch hier gingen die Störer gezielt vor. Unterbrochen wurden nur Wortbeiträge. Die Musik ging problemlos über den Sender. Damals konnten die alternativen RadiomacherInnen nur vermuten, daß die Akteure im Osten sitzen. Anlaß für die Vermutung gab die Tatsache, daß der Sender vom Zentralorgan der SED, dem 'Neuen Deutschland‘, heftig angegriffen und als „geheimdienstlich gesteuert“ gescholten worden war.

Zehn Jahre lang hatte die DDR die Behinderung von West -Radiosendern unterlassen. Zuletzt war der Rias Stein des Anstoßes gewesen. Seit der „Genfer Mittelwellenkonferenz“ hatte sie derartige Maßnahmen unterlassen.

bf

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