Berufsrolle in Frage gestellt-betr.: "Fehlende Knete, schlappe Reform", taz vom 6.10.89

betr.: „Fehlende Knete, schlappe Reform“, taz vom 6.10.89

Als Teilnehmer und Referent im Arbeitskreis „Aggressive Gruppen“ bin ich mit der Darstellung von Julius Kolb nicht ganz einverstanden. Die Entscheidung, entgegen Tradition und Erwartungshaltung der anderen TeilnehmerInnen und der Medien eben kein Ergebnis-/Thesenpapier zu erstellen, resultierte nämlich nicht aus der Ratlosigkeit des Arbeitskreises. Als am Dienstag dieses Papier erstellt werden sollte, war soeben eine ernsthafte und fruchtbare Diskussion im Gange, bei der zum ersten Mal bei dieser Tagung auch die jeweils eigene Berufsrolle in Frage gestellt wurde. Beinahe jede/r daran Beteiligte empfand es als wichtiger, hier weiterzumachen.

„Problemlösungen“, wie sie offenbar auch von Julius Kolb erwartet wurden, lagen von vornherein nicht im Bereich der Möglichkeiten dieses Arbeitskreises. Die Perspektive der „Lösung“ und des „Helfens“ wurde gerade in Frage gestellt (dies klingt auch bei Julius Kolb an, wenn er den Punks im Arbeitskreis nie von denen gesprochene Worte in den Mund legt). Worum es nur gehen kann beim gesellschaftlichen Umgang mit sogenannten „aggressiven“ Jugendgruppen, ist eine Vermeidung von vermeintlichen Lösungsstrategien, die zu Knast und/oder Schädelbrüchen führen.

Henning Müller, Berlin 61