piwik no script img

Nachrichten aus weiblichem Blickwinkel

■ ZDF startet Frauennachrichtenmagazin: Nicht objektiv und nicht allgemein menschlich / Ein Interview mit „NOVA“

taz: In 3sat, dem Satellitenprogramm des ZDF, wird heute abend das Frauennachrichtenmagazin „NOVA“ ausgestrahlt. Wer soll sich das ansehen?

NOVA: All die, die sich auch sonst ein Nachrichtenmagazin wie beispielsweise Panorama oder Monitor ansehen.

„NOVA“ - also keine Sendung von Frauen für Frauen?

NOVA ist von Frauen für alle. Wir haben uns gefragt, was fehlt uns Zuschauerinnen in der Medienlandschaft, und so sind wir auf Nachrichten und Nachrichtenmagazine gestoßen. Unser Problem dabei ist: Nachrichten werden als objektiv verkauft, das heißt, es wird so getan, als gäbe es einen objektiven Standpunkt. Wir behaupten aber, und das ist vielleicht der spannende, journalistisch neue Ansatz, Nachrichten sind erstens nicht objektiv und zweitens nicht allgemein menschlich zu sehen. Nachrichten gehen von Interessensgruppen aus, unterstützen Interessengruppen und werden von solchen gemacht. Frauen sind auch eine Interessensgruppe, und deshalb ist ein Nachrichtenmagazin wie NOVA legitim und notwendig.

Und wie haltet Ihr es mit der „Objektivität“?

Wir machen unseren subjektiven Blickwinkel von vorneherein ganz öffentlich. Um es konkret am Beispiel zu erklären: Renten, Löhne, Gesundheitsreform, Teilzeitarbeit, Arbeitslosenquote, Armut - all das sind Begriffe, die tagtäglich in den Nachrichten verwendet werden, um bestimmte Zustände zu beschreiben. Da gibt es keine geschlechtsspezifischen Unterscheidungen. Nimmt man aber einen Begriff wie Armut, zeigt sich, daß Armut in der BRD in erster Linie Frauenarmut heißt. So geht es mit vielen scheinbar geschlechtsneutralen Schlagwörtern. Bei näherem Hinsehen bemerkt man, daß Frauen die Lebensverhältnisse ganz anders erleben als Männer. Und das soll sich gefälligst auch in einem Nachrichtenmagazin niederschlagen.

Ein Zitat von Helke Sander: „Es scheint, das authentische Arbeiten von Frauen auch aggressive Arbeiten sind und übrigens aber auf ebenso viele Widerstände bei Frauen stoßen können wie bei Männern.“ Ein Satz, den Ihr Euch auf die Fahnen schreiben würdet?

Auf jeden Fall. Um eines klar zu stellen: Es kann nicht unsere Aufgabe sein, eine Form zu finden, die speziell Frauen anspricht. Frauen, die Schwierigkeiten mit Panorama oder Monitor haben, werden auch mit NOVA Probleme haben. Da gibt es nicht die Sinnlichkeit als solche zu erfahren, sondern es werden andere Inhalte vorgesetzt. Wir werden natürlich auch versuchen, die Inhalte auch mit einer anderen Form zu transportieren.

Ihr habt mehrmals „Panorama“ oder „Monitor“ angesprochen. Sind das formale Vorbilder für Euch?

In gewisser Hinsicht schon. Auch bei NOVA wird es einen Wechsel von Studiomoderation und Filmeinspielungen geben. Wir gehen davon aus, daß NOVA eine gewisse Seriösität, eine gewisse Nüchternheit haben muß, um als das Genre, das die Sendung repräsentiert, ernst genommen zu werden: nämlich eine Nachrichtensendung. Wir werden also nicht das Studio rosa anmalen oder unsere beiden Moderatorinnen in Petticoats vor die Kamera stellen.

Studiomoderation und Filmeinspielung, das klingt eher schlicht, verglichen mit anderen Sendungen, die Studiogäste, Zuschaueranrufe, Prominente usw. bieten...

...also Sendungen, bei denen man sich überhaupt nicht konzentrieren kann, weil ständig vordergründige Reize geboten werden. Egon Monk hat einmal gesagt, früher wußte der Zuschauer: Fernsehen bedeutet auch Arbeit. Heute ist Fernsehen in jeder Sparte, in jedem Bereich nur noch Unterhaltung. Insofern sind wir unheimlich altmodisch: NOVA sehen heißt arbeiten.

Von der Form zum Inhalt: Das Thema der Sendung am Freitag lautet: Arbeit.

Nachrichtenmagazine funktionieren ja normalerweise so, daß Themen aneinandergereiht werden. Erstes Thema: Fischvergiftung, zweites Thema: Gewerkschaft, drittes Thema: Renten usw. Diese Form der Darstellung verstellt den Blick des Zuschauers, gibt ihm nichts an die Hand. Deshalb haben wir unsere 60 Minuten unter ein Thema gestellt, das wir von verschiedenen Punkten beleuchten werden, und wir hoffen, so eher einen Ansatz zum Weiterdenken zu liefern. Beim Thema Arbeit sind wir ganz systematisch vorgegangen und haben gefragt, welche Probleme tauchen auf, wenn es für Frauen um Arbeit geht. Fangen wir an, mit der gesellschaftlich akzeptierten Definition: Arbeit gleich Lohnarbeit. Dabei weiß jeder, daß ein Großteil der Arbeit die Frauen leisten, nicht bezahlt, geschweige denn bei der Rente angerechnet wird. Und wenn Frauen in Lohnarbeit stehen, dann hauptsächlich in den zuarbeitenden, unteren, ganz selten aber in den formgebenden, planenden Bereiche. Anhand von vier Beiträgen wird NOVA versuchen ein Bild von diesen strukturellen Defiziten zu vermitteln.

Mal naiv zwischengefragt: Was passiert, wenn „NOVA“ als unausgewogen und links etikettiert wird?

Das ist einfach. Es gibt zwei Währungen, mit denen beim ZDF gezahlt wird. Das eine ist die Einschaltquote - bei circa sechs Millionen Haushalten, die 3sat empfangen können, also eher irrelevant - das andere ist die Akzeptanz durch die schreibende Zunft. Wenn nun die Kritiker schreiben: „Das war wirklich was Tolles“, dann wird intern - egal, wie kritisch oder links ein Beitrag war - dreimal überlegt, bevor einer was dagegen sagt.

Zu den Filmbeiträgen: Euch stand ja kein Aufnahmeteam zur Verfügung, das ihr losschicken konntet. Wer also liefert die Beiträge?

Das ist ganz verschieden. Einen Film realisiert die Wendländische Filmcooperative, ein anderer Film kommt von einer freien Journalistin, und wieder ein anderer Beitrag und das war uns ganz besonders wichtig - wird von einer Frau gemacht, die „ganz normal“ beim ZDF unter anderem für das Heute-Journal arbeitet. Da wollen wir einfach sehen, was passiert, wenn so jemand plötzlich die Möglichkeit hat, mal ganz anders zu arbeiten.

Ihr moniert immer wieder die Standards von Nachrichtensendungen. Jetzt könnte man einwenden, Ihr habt gut reden, weil „NOVA“ nicht unter dem tagtäglichen Produktionsdruck steht.

Das ist richtig, realistisch betrachtet, kann NOVA bisher sind ja erst mal nur drei Folgen vorgesehen höchstens ein Ideengeber sein. Wir versuchen, bestehende Strukturen nicht einfach zu akzeptieren, sondern nehmen uns vor, die wirklichen Grenzen auszuloten. Wir gehen davon aus, daß man Bestehendes dadurch ändert, indem man etwas anderes entwickelt und dagegen setzt.

Erschreckt es Euch eigentlich, daß „NOVA“ rückwärts gelesen AVON ergibt?

Oh, da bist Du nicht der einzige, der auf diesen Witz gekommen ist. Aber das ist nicht erschreckend. Erschreckend ist vielmehr, wie viele Männer scheinbar nicht damit fertig werden, daß wir mit NOVA geschlechtsspezifische Fragen behandeln werden. Da wird immer wieder versucht, das Ganze ins Lächerliche zu ziehen. Du mußt Dir vorstellen, wir kommen zu dritt in eine Besprechung und da heißt es: Jetzt kommen wieder die drei Grazien.

Ich bedanke mich für das Gespräch

Mit den verantwortlichen Redakteurinnen Annedore von Donop, Doris Hepp und Liane Jessen sprach Friedrich Frey

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen