: Megamaschine-betr.: "Damenwahl - Zwischen Lebenslust und Karriere", taz vom 29.9.89
betr.: „Damenwahl - Zwischen Lebenslust und Karriere“, taz vom 29.9.89
In Christel Dormagens Bericht fehlt mir grundsätzlich das Bewußtsein, daß er aus der Megamaschine kommt, die in allen industrialisierten Ländern unablässig weiter ausgebaut wird. Gemeint ist diese Megamaschine, die ihren Nutznießern weitgehende Befreiung von schwerer körperlicher Arbeit gebracht hat. Und schlaraffenlandartigen Überfluß an Lebensmitteln. Und sagenhaften Komfort. (...)
Gemeint ist diese Megamaschine, die uns all dies gegen einen verheerenden Preis liefert: Die Ausbeutung der sogenannten Dritten Welt, die Plünderung aller irdischen Ressourcen innerhalb kürzester Zeit, wobei zusammen mit dem Dreck, der dabei entsteht, unsere Lebensgrundlagen auf der Erde zerstört werden.
Gemeint ist diese Megamaschine mit dem großen Drang zur Rationalisierung, der entsteht, weil alle, die begehrlich an ihrem Trog fressen und an ihrem Tropf hängen, nur zu gerne mit immer weniger Arbeit immer billigere Waren und Leistungen von ihr empfangen. Und weil gleichzeitig alle, die auch ein Stück von ihr besitzen, dabei immer noch mehr daran verdienen können. (...) Und so führt uns die Rationalisierung zur automatischen Fertigung, möglichst unter Ausschluß des Menschen (der stört nur). Größere Serien werden gebraucht für die vollautomatischen Transferstraßen, und größere Märkte, mindestens EG-weit, besser weltweit. Hochgradige Arbeitsteilung entsteht dabei. Und immer mehr Entfremdung überall.
Alles, was in dem Artikel von Christel Dormagen bejammert wird, ist als Begleiterscheinung der Megamaschine zu rubrizieren: Das kommende Ende der Neun-bis-fünf-Uhr -Lebensberufe. Die Teilzeit- und Bildschirmarbeit. Die Entwicklung zur Dienstleistungs(Entfremdungs)gesellschaft. Die neuen, veränderten Formen, in denen Frauen ausgebeutet werden und/oder selbst an der Ausbeutung teilnehmen, wie mit verschiedenen Fallgeschichten belegt wird; Fälle, in denen sich jemand ein schönes Leben am Tropf der Megamaschine macht, ohne selbst genug zum eigenen Lebensunterhalt beizutragen. (...)
Dicker kommt es dann noch, wenn Claudia von Werlhofs Ansichten zitiert werden, für die alle alternativen Versuche, das Abkoppeln von der Megamaschine wenigstens ein bißchen zu probieren, nur „Zeichen von geradezu absurder Dummheit“ sind. Was wollen wir denn? Wollen wir nicht weg von der Megamaschine, oder wie? Soll dieses kapitalistische Monstrum etwa verstaatlicht werden und dann geht es weiter? Wer denkt das hier - ausgerechnet jetzt, wo sie im Ostblock darauf kommen, daß sich die Megamaschine mit kapitalistischen Methoden doch besser errichten läßt als ohne sie? Bitteschön, wo soll es eigentlich hingehen?
Theo Krönert, Stuttgart 1
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