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De Klerk traf Tutu: Vorsichtige Annäherung

Drei prominente Kirchenvertreter legten dem Präsidenten einen Sechs-Punkte-Katalog vor / Gespräch über Möglichkeit von Verhandlungen zur Abschaffung der Apartheid / De Klerk nannte keine Einzelheiten über die Absichten seiner Regierung  ■  Aus Johannesburg Hans Brandt

Südafrikas Präsident Frederick W. De Klerk hat am Donnerstag erstmals ausführliche Gespräche mit prominenten Vertretern der südafrikanischen Opposition geführt.

Das Treffen mit dem anglikanischen Erzbischof Desmond Tutu, dem Präsidenten des reformierten Weltbundes Alan Boesak und dem Generalsekretär des südafrikanischen Kirchenrats, Frank Chikane, fand auf Wunsch der Geistlichen statt. Fast drei Stunden lang unterhielten sie sich mit De Klerk über die Möglichkeit von Verhandlungen zur Abschaffung der Apartheid. Tutu nannte die Gespräche „ernsthaft“, während De Klerk von einem „offenherzigen“ Meinungsaustausch sprach.

Die Kirchenvertreter legten einen sechs Punkte umfassenden Forderungskatalog vor, in dem Vorbedingungen für substantielle Verhandlungen enthalten waren. Tutu zufolge zeigte De Klerk, der von seinem Verfassungsminister Gerrit Viljoen begleitet wurde, die Absicht, die „Sicherheitssituation und die Gesetzeslage zu normalisieren“. Es seien jedoch keine Einzelheiten über die Regierungspläne genannt worden.

De Klerk betonte seinerseits, daß es unmöglich sei, für die „ehrgeizigen Pläne der Regierung“ einen genauen Zeitplan vorzulegen. „Ich hoffe, daß dieses Treffen dazu beitragen wird, die von Mißtrauen geschaffene Kluft zu überwinden“, sagte der Präsident.

Das Treffen mit den Geistlichen fand vor dem Hintergrund von De Klerks Ankündigung am Dienstag statt, daß acht prominente politische Gefangene demnächst freigelassen werden sollen. Der Präsident ging früher als geplant an die Öffentlichkeit, um ein positives Klima für das Gespräch mit den Kirchenvertretern zu schaffen, die er aufforderte, ihre Position neu zu überdenken.

Die Skepsis bleibt

Doch Tutu, Boesak und Chikane hatten ihre eigenen Forderungen. Dazu gehören die Aufhebung des Ausnahmezustandes und der Einschränkung zahlreicher Aktivisten und Organisationen, die Freilassung aller politischen Gefangenen und die Begnadigung aller zum Tode Verurteilten. Zudem forderten die Kirchenführer, daß alle im Exil lebenden Südafrikaner nach Hause kommen sollten, daß die wichtigsten Apartheid-Gesetze abgeschafft werden und daß Gespräche mit den Befreiungsbewegungen beginnen.

„Wenn diese Dinge passieren, dann sind wir bereit, unseren Leuten zu sagen: 'Gebt ihm eine Chance. Er meint es ernst'“, sagte Tutu. Doch Chikane fügte hinzu, daß De Klerk nicht bereit war, „über die Rhetorik seiner Antrittsrede hinauszugehen“.

Tatsächlich bleibt die Position der Regierung trotz der beabsichtigten Freilassung der Gefangenen und des dreistündigen Gesprächs mit Tutu, Boesak und Chikane undeutlich. Die ausdrücklich bedingungslose Freilassung von sieben prominenten Mitgliedern des verbotenen Afrikanischen Nationalkongresses (ANC) bedeutet zumindest eine teilweise Aufhebung des Verbots des ANC. Regierungsminister haben zudem schon seit Monaten mit dem inhaftierten ANC-Chef Nelson Mandela verhandelt. Und auch die Kirchenführer wollen letztendlich Verhandlungen zwischen der Regierung und dem ANC zustande bringen.

Doppelzüngiger De Klerk

Gleichzeitig hat De Klerk jedoch in den letzten Wochen wiederholt Kontakte mit dem ANC scharf verurteilt. Letzte Woche führten prominente burische Akademiker und Journalisten, darunter sogar des Präsidenten Bruder Wimpie De Klerk, Gespräche mit dem ANC. In einer Erklärung betonte der Präsident, daß es sich bei diesen Gesprächen nicht um einen Annäherungsversuch der Regierung an den ANC gehandelt habe. Das Dementi ist vor dem Hintergrund der Freilassungen und Kontakte mit Mandela allerdings kaum ernst zu nehmen.

Auf lokaler Ebene hat es bereits detaillierte Verhandlungen zwischen Regierungsvertretern und der Opposition gegeben. Letzte Woche trafen sich eine Delegation aus Soweto mit den Behörden der Provinz Transvaal, um über den seit mehr als drei Jahren andauernden Mietboykott in Soweto zu verhandeln. Die Verwaltung von Soweto hat bisher mehr als 230 Millionen Rand (etwa 161 Mio. Mark) an Mieteinkünften verloren. Die Schulden der größten Stadt für Schwarze belaufen sich auf etwa eine Milliarde Rand (700 Mio. Mark).

Der Soweto-Delegation gehörten auch Tutu und Chikane an. Sie forderten, daß die Behörden auf die Zahlung der rückständigen Mieten verzichten und die Township-Häuser ihren Bewohnern übergeben. Der Transvaal-Verwalter Danie Hough verweigerte das. Doch beide Seiten betonten, daß hier erstmals über den Mietboykott verhandelt wurde, statt zu versuchen, ihn mit Repressionen zu verhindern.

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