Aus der Volksseele genörgelt

■ CDU plaudert über das kriminelle Pflaster Bremen und den „finalen Rettungsschutz“

Ins abendliche Bierzelt hätte diese Veranstaltung eigentlich gehört, nicht in die nüchterne Schulhausatmosphäre des Hermann-Böse-Gymnasiums. Was der moderierende CDU -Fraktionsvorsitzende Peter Kudella und seine drei männlichen Gesprächspartner dem Publikum zum Thema „Opferschutz statt Täterschutz“ an Sorgen und Nöten aufbürdeten, wäre beim Maß Bier und an Wirtshaustischen allemal amüsanter gewesen. Dann hätten manche tatsächlich Rührung gezeigt bei den authentischen Schilderungen von klassischen Opfersituationen (dem innenpolitische Sprecher der CDU, Ralf Borttscheller, wurde im letzten Jahr zweimal das Auto aufgebrochen). Dann hätten richtige Christdemokraten ordentlich feixen können bei den, nur gelegentlich gekonnten, Paraden Kudellas gegen die Liberalisierung des Strafrechts, bei seinen unschuldigen Fragen („Wird es dem Täter in Bremen zu leicht gemacht?“). Dann wäre Schenkelklopfen angebracht gewesen, als Borttscheller für Augenblicke sein rhetorisches Phlegma überwindet („Totschläger laufen gelegentlich frei rum, weil sie einen festen Wohnsitz haben, was auch immer das in Bremen zu bedeuten hat“).

Nein, so wird das nichts mit der CDU. So augenfällig bemüht sieht das aus, wenn die Christdemokraten sich zum Sprachrohr der brodelnden Volksseele machen, daß außer den eigenen Mitgliedern und den ängstlich gewordenen Dackelbesitzern, die sich nicht mehr zum Gassigehen vor die Tür trauen, kaum jemand ihren Tiraden vom kriminellen Pflaster Bremen trauen mag. Daß die Zunahme von Straftaten nicht mit den schlichten Konzepten von mehr Polizei und härterer Straf

verfolgung zu bekämpfen ist, hat sich in den Köpfen der Mehrheit intensiver festgesetzt, als die CDU zu glauben vermag.

Neben Borttscheller und Kudella hatten auf dem Podium der Regionalbeauftragte des Weißen Ringes, Albert Lohse und der Vorsitzende der bremischen Gewerkschaft der Polizei, Hans Schulz, Platz genommen. Die eigentliche Attraktion des Abends aber war geplatzt. Noch auf den Einladungsplakaten firmierte als Diskutant der Innensenator Peter Sakuth. Der aber zog es vor, der Veranstaltung, die seine Sicherheitspolitik aufs Korn nehmen sollte, aus „terminlichen Gründen“ fernzubleiben. So konnte man ungeniert loslegen. Was insbesondere der GdP-Vorsitzende zu ausführlicher Kritik der Senatspolitik nutzte. Dem Innensenator warf er vor, „die Fürsorgepflicht gegenüber den Polizisten sträflichst zu vernachlässigen und sie der GdP aufzubürden“. Gemeint war die Rolle des Polizeibeamten als Opfer, „das besondere sicherheitspolitische Klima Bremens“. Schulz weiter: „Vor Gericht ist es ja Mode geworden, daß Anwälte, die es ja in einer bestimmten Szene in großer Anzahl gibt, sofort den Spieß umdrehen und die Polizisten angreifen“.

An den vergeblichen Kampf um mehr Sicherheit in Bremen erinnerten alle vier Diskutanten. Ein Drittel aller Straftaten, so gaben sie ihre Eindrücke aus den Revieren wieder, werde von Leuten begangen, die den Beamten bekannt seien, die dreimal die Woche verhaftet werden und am nächsten Tag freundlichst auf der Straße grüßen. „In Bremen brechen die Dämme“, sagte Kudella. „Straftäter werden animiert, durch Straftaten ihren Lebensunterhalt zu bestreiten“.

Mehr Polizeipräsenz wollte die Versammlung. Rasche Einstellungen forderte Borttscheller, denn „es darf nicht dazu kommen, daß irgendwann der Schrott des Arbeitsmarktes bei der Polizei landet“.

Zu welchen politischen Leer

formeln ihnen die Sicherheits gesetzgebung geworden ist, demonstrierten Borttscheller und Kudella, als sie gegen Ende der Veranstaltung mehrmals ihr Bekenntnis zum „finalen Rettungsschutz“ abgaben.

Andreas Hoetzel