: Jetzt Senatsstreit um Schießplatzausbau
■ Sprecher Kohlhoff: Pläne nach amerikanischen Klarstellungen „hinnehmbar“ / Umweltverwaltung: Vermehrter Schießbetrieb weiter kritisch zu beurteilen / Für US-Stadtkommandant dient neue Schießbahn auch Zusammenhalt der Soldatenfamilien
Eine überraschende Kehrtwendung des Senats in der Frage eines Ausbaus des Grunewald-Schießplatzes „Keerans Range“ machte gestern Senatssprecher Kohlhoff öffentlich. Während er vor wenigen Tagen noch von einer guten Chance für die Rücknahme der Baupläne sprach, bezeichnete er gestern die Neugestaltung als „hinnehmbar“. In einem Anfang der Woche geführten Gespräch mit dem Chef der Senatskanzlei hätten die Amerikaner klargestellt, daß keine militärischen Ausbildungsteile von Westdeutschland nach Berlin verlagert werden sollen, begründete Kohlhoff den Sinneswandel. Aus den Erläuterungen habe der Senat ferner den Eindruck gewonnen, daß für die Anlage einer neuen Schießbahn an der Avus keine zusätzlichen Flächen in Anspruch genommen werden und auch keine zusätzliche Lärmbelastung entsteht. Außerdem hätten die Amerikaner zugesichert, zu fällende Bäume durch Neupflanzungen an anderer Stelle zu ersetzen. Kohlhoffs Fazit: „Uns erschien, daß der Schießplatzausbau größere Umweltprobleme nicht aufwirft.“
Demgegenüber hielt der Sprecher der Umweltverwaltung, Rogalla, die von Anfang an geäußerten Bedenken weiter aufrecht. Rogalla: „Ich gehe mal davon aus, daß pro Mann und Jahr in Berlin mehr geschossen wird - wenn auch leiser. Wir stehen aber jeder Ausweitung der militärischen Schießübungen kritisch gegenüber.“
Währenddessen sah sich US-Stadtkommandant Haddock gestern aufgrund der Presseberichte zu näheren Informationen über die Gründe für den Schießplatzausbau veranlaßt. Für die Entscheidung, die Soladaten in Berlin auf einer weiteren neuen Panzerabwehrwaffe simulieren zu lasen, waren dem General rein soziale Gründe ausschlaggebend. Jetzt schon müßten die in Berlin stationierten Infanteriesoldaten der US -Garnison ungefähr vier bis fünf Monate außerhalb der Stadt üben, davon durchschnittlich drei Monate in Westdeutschland, so Haddock. Das bringe „eine große Belastung“ der GIs durch die lange Abwesenheit von ihren Familien mit sich. So habe die Armeeführung deshalb entschieden, die Zahl und die Dauer der Manöverfahrten nach Westdeuschland nicht noch zu steigern. Nach ersten Berechnungen wird der Schießplatzausbau bis zu acht Millionen Mark kosten, erklärt Haddock. Auf jeden Fall sei der mit der neuen Kleinkalibermunition simulierte Abschuß der neuen Panzerfaust „ET4“ leiser als das Abfeuern der bislang benutzten Kleinkaliberwaffen und des Maschinengewehrs. Das US-Kommandant werde als Ersatz für die Fällaktion auf „Keerens Range“ außerdem 200 bis 300 Bäume neu pflanzen. „Berlin ist keine Kolonie der Amerikaner“, protestierte gestern der umweltpolitische Sprecher der AL, Hartwig Berger. Die Erklärung, daß die Planung mit dem Landesforstamt abgestimmt sei, sei „schlichtweg eine Lüge“. Berger: „Selbstherrlich werde hier von einer Besatzungmacht Entscheidungen getroffen, die unweigerlich zu einer Beeinträchtigung des Grunewalds führen.“
thok
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