: Für Herrn Kneitz ist die Welt noch in Ordnung
Die südafrikanische Hausangestellte Elise Phateli versuchte vergeblich, vom deutschen Diplomaten Dietmar Kneitz, der ihr fristlos gekündigt hatte, 287,50 Rand zu bekommen / Der Fall wurde vor Gericht nicht gehört, da Diplomaten Immunität genießen / Kein rechtlicher Schutz für mehr als zwei Millionen Bedienstete ■ Von Andrea Seibel
So wie Elise Phateli geht es vielen Hausangestellten in Südafrika. An vier Tagen morgens um 6.30 anfangen, bis abends um 8 arbeiten sowie samstags von 8 bis 8. Donnerstags hatte sie ab 10 Uhr frei und sonntags nach dem Aufräumen. Ihr Wasser mußte sie sich in Eimern holen. Sie wohnte in einer Bude im Garten. Das Ehepaar Kneitz, das in einem Vier -Zimmer/Apartment in Randburg, einem Vorort von Johannesburg, lebt, erlaubte ihr nur, einen Besuch pro Woche zu empfangen. Als Lohn erhielt sie ganze 200 Rand pro Monat. Und davon mußte sie sich noch Fleisch kaufen.
Die 38jährige Elise Phateli hatte nur sechs Monate bei den Kneitzens gearbeitet, da feuerte sie der stellvertretende Konsulatsattache auch schon im Mai 1988 - und zwar fristlos. Begründung: Elise Phateli habe ein Bett mit schmutziger Bettwäsche bezogen. Doch die Frau ließ sich das nicht gefallen. Sie ging vor ein Randburger Gericht, das unter Vorsitz eines Richters und in Anwesenheit der direkt Betroffenen versucht, solche Fälle zu schlichten. Ihre Forderung: 287,50 Rand (umgerechnet etwa 210 Mark), denn ihr stünde noch Urlaubsgeld an. Außerdem hätte sie das Anrecht auf eine fristgerechte Kündigung, ferner stünde ihr Überbrückungsgeld zu.
Kneitz war da anderer Meinung. Elise Phateli sei wegen „unmöglichem Benehmen“ gekündigt worden. Sie habe sich ständig mit anderen Angestellten gestritten und habe, als der Hausherr krank war, erst nach mehrmaligem Protest aufgehört zu staubsaugen. Außerdem, sagte Kneitz, wolle er den Fall nicht vor Gericht diskutieren, da er glaube, „völlig im Recht“ zu sein. Als er dann aber der Form halber am 30. August vor dem „Small Claims Court“ erschien, teilte ihm Richter Andre Cruywagen mit, daß Kneitz aufgrund seiner diplomatischen Immunität nicht erscheinen müsse. Cruywagen hoffe ferner, Herr Kneitz und Frau Phateli würden „die Sache“ außerhalb des Gerichts diskutieren. Der Richter war unzufrieden. „Diplomatische Immunität hat manchmal den unglücklichen Effekt, daß jemand eine aussichtsreiche Sache nicht weiterverfolgen kann“, sagte er gegenüber der südafrikanischen Zeitung 'Sunday Star‘ Anfang September.
Der Richter wußte, wovon er sprach. Kneitz hat bisher noch keinen müden Cent an seine frühere Hausangestellte bezahlt. Ein Diplomat, so Kneitz gegenüber dem 'Sunday Star‘, „mißbraucht niemals Privilegien“. Diplomatische Immunität sei da, um Diplomaten zu beschützen, damit „sie ihre Pflichten erfüllen können“.
Arbeitslosigkeit
drückt den Lohn
Elise Phateli hat vielleicht wieder eine Arbeit gefunden. Vielleicht eine besser bezahlte, vielleicht aber auch gar keine. Die Arbeitslosigkeit unter den arbeitsfähigen Schwarzen Südafrikas beträgt geschätzte 40 Prozent. Eine Tatsache, die den Lohn unter den mehr als zwei Millionen, zu 78 Prozent weiblichen Hausangestellten noch mehr nach unten drückt.
Im Büro der Gewerkschaft der Hausangestellten (SADWU) in Johannesburg müssen die Beraterinnen ihre Klienten erst mal trösten. „Die Frauen kommen hierher, oft gefeuert, mißhandelt, verzweifelt, mit nichts in den Händen. Die Polizei bearbeitet die Fälle schon gar nicht mehr, sondern gibt sie an uns weiter“, sagt Margaret Nhlapo. Die resolute Frau war selbst Hausangestellte. Jetzt versucht sie zusammen mit vielen anderen, Gesetze in die Parlamente zu bringen, die den Millionen Hausangestellten und LandarbeiterInnen Mindestlohn, Mutterschaftsurlaub, Rente, Kranken- und Arbeitslosenversicherung garantieren. Den jetzigen rechtlosen Zustand nennt Nhlapo „Sklaverei“. „Wir fangen mit nichts an und hören mit nichts auf.“ Nicht nur würde schon die Arbeitskraft und Unwissenheit 15jähriger Kinder ausgebeutet. Besonders deprimierend seien Fälle alter Hausangestellter. „Gerade vor kurzem hatten wir den Fall einer Hausangestellten, die über 40 Jahre in einem weißen Haushalt gearbeitet hatte. Nach dem Tod der Hausfrau pflegte sie den kranken Mann. Als der jetzt starb, saß sie tagelang in ihrer Kammer, ohne daß die Familienangehörigen sich um sie gekümmert haben. Sie war nutzlos, wie ein altes Möbelstück.“
Eine Odyssee
durch weiße Haushalte
Jede Biographie ist eine Erzählung Geschichte der Apartheid, die Frauen von Männern trennt und Mütter von Kindern. Mita hat mehr Glück. Zumindest kann sie mit ihren beiden Söhnen in Johannesburg in einer kleinen Baracke zusammenwohnen - im Garten der Weißen, die ihr 450 Rand im Monat zahlen. Mit ihren 40 Jahren hat sie eine Odyssee durch weiße Haushalte und endlose Demütigungen weißer „Madams“ hinter sich. Die letzte Herrschaft machte sie „müde“. „Ständig mußte ich um Geld kämpfen. Ich konnte nichts kaufen. Allein die Anfahrt aus dem Township war so teuer, daß ich nicht mal Milchpulver für meinen kleinen Sohn Abel kaufen konnte. Ich war es so leid.“ Jetzt will sie in einer Schneiderei anfangen. Vielleicht hat der dreijährige Abel ein besseres Leben vor sich. Der Mindestlohn für eine sechsköpfige Familie beträgt in Südafrika zur Zeit 450 Rand (umgerechnet 340 Mark). Der Durchschnittslohn der Hausanstellten, so Margaret Nhlapo, sei jedoch 120 Rand. Damit müßten sie zumeist noch Familienangehörige in den Homelands unterstützen, oft ihre Kinder, die bei den Großeltern leben.
Was machen, wenn eine hilfesuchende Hausangestellte in das Büro der SADWU in Johannesburg kommt? „Warum hast du das so lange ausgehalten?“ lautet meist Nhlapos erste Frage. „Ich dachte, sie ändern sich“, bekommt sie daraufhin häufig als Antwort. Das persönliche Arbeitsverhältnis als tiefe Grube. Zuerst nimmt die Gewerkschaft, die Teil des Dachverbandes Cosatu ist, Kontakt mit den ArbeitgeberInnen auf. Doch das bringt selten ein positives Ergebnis. „Einige kann man nicht ändern“, sagt sie. Aufgrund der mangelnden Gesetze plane man deshalb Einzelverträge, die den geforderten Mindestlohn von 450 Rand und eine 40-Stunden-Woche zum Inhalt haben. Es bleibe aber den ArbeitgeberInnen überlassen, ob sie das akzeptieren.
Doch bis es gesetzliche Regelungen gibt, ist der Weg, den Elise Phateli ging, die letzte Möglichkeit, um zu ihrem Recht zu gelangen. Es sei denn, man stößt auf Leute wie Kneitz.
Nachtrag I
Uschi Eid, MdB Die Grünen, las den Artikel im 'Sunday Star‘ und fragte beim Beauftragten für Afrikapolitik im Auswärtigen Amt, Ministerialdirigent Dr. Hans-Günter Sulimma, nach, ob ihm der Fall bekannt sei. In einem Antwortschreiben an Uschi Eid, eingegangen am 3. Oktober, teilt Sulimma mit, daß der „dem Artikel des Sunday Star vom 3. September“ zugrundeliegende Sachverhalt dem Auswärtigen Amt bekannt sei. Und weiter: „Es handelt sich um einen zivilen Rechtsstreit zwischen einem Mitarbeiter des Generalkonsulats Johannesburg und seiner ehemaligen Hausangestellten um eine Lohnforderung. (...) Der betroffene Mitarbeiter hat in einer dienstlichen Erklärung das Vorbringen seiner ehemaligen Hausangestellten als unwahr und beleidigend und ihre Forderung als unbegründet bezeichnet. Die in dem Zeitungsartikel gegen ihn erhobenen Vorwürfe seien unberechtigt. Das Auswärtige Amt sieht derzeit aufgrund der ihm vorliegenden Informationen keine Veranlassung zu einem Tätigwerden in dieser Angelegenheit.“
Nachtrag II
Dieter Kneitz sagte gegenüber dem 'Sunday Star‘: 15 Jahre sei er nun schon in Afrika, und er finde, daß die südafrikanischen Hausangestellten am schlechtesten seien.
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