piwik no script img

„Frontstaaten gezielt zerstört“

UNO-Studie: Südafrika destabilisiert planmäßig die angrenzenden Länder, die gegen Apartheid kämpfen  ■  Aus Genf Andreas Zumach

„Südafrikas militärische Aggression und Destabilisierungsmaßnahmen gegen seine Nachbarstaaten haben diese Länder seit 1980 über 60 Milliarden US-Dollar gekostet und forderten das Leben von über 1,5 Millionen Menschen. Die enormen Verluste sind nicht lediglich ein Nebenprodukt militärischer Aktionen, sondern Teil einer kalkulierten Strategie des Apartheidstaates, um die Frontstaaten langfristig ökonomisch abhängig und damit auch politisch gefügig zu halten.“ Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie der „UNO-Wirtschaftskommission für Afrika“, die gestern in Genf vorgelegt wurde.

Ziel der Destabilisierung sei, die Frontstaaten so sehr zu schwächen, daß sie letztlich keine andere Alternative hätten, als die Apartheid - zumindest in einer modifizierten Form - zu akzeptieren.

Hauptangriffsziele der in diesem Rahmen von Südafrika finanzierten und ausgebildeten Terrorgruppen (zum Beispiel der Renamo in Mosambik) sind Energieversorgungsstrukturen und die Transportwege, die die neun in der „Koordination für die Entwicklung im südlichen Afrika“ (SADCC) zusammengeschlossenen Staaten untereinander und mit der Außenwelt verbinden. Ohne die Destabilisierung durch Südafrika, den „Hauptfaktor für die ökonomischen Rückschläge“ in den SADCC-Staaten, wäre deren wirtschaftliche Produktivität 1988 um 43 Prozent höher gewesen.

Durch die Ausübung von Druck auf seine direkten Nachbarstaaten Fortsetzung auf Seite 2

und die gleichzeitige Vergabe von

Krediten an weiter entfernte Länder versuche Pretoria, Afrika zu spalten. Die Studie fordert von der internationalen Staatengemeinschaft „verstärkte Unterstützung für die Verteidigung und den Wiederaufbau der Frontstaaten“ sowie „Maßnahmen gegen den Apartheidstaat, die seine Fähigkeit zur Aggression und Destabilisierung verringern“.

Zwar wird nicht der direkte Einsatz fremder Truppen zum Schutz der Frontstaaten empfohlen. Doch sollten UNO, Organisation für Afrikanische Einheit oder Commonwealth die Entsendung von Grenzschutzpersonal erwägen. Die notwendigen Kosten für ein wirtschaftliches Wiederaufbauprogramm werden in der Studie auf 3,5 Milliarden US-Dollar beziffert. Derzeit stehe jedoch nur eine Milliarde zur Verfügung. Unter den getöteten 1,5 Millionen Menschen sind 925.000 Kinder (750.000 unter fünf Jahren). 1,5 Millionen Menschen wurden zur Flucht in ein

anderes Land gezwungen. Sechs Millionen Menschen wurden innerhalb ihres Landes vertrieben, darunter die halbe Bevölkerung Angolas und Mosambiks.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen