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Genau das, was „out“ ist

■ Mit Gottes Wort gegen die Vorstellung vom Glück aus Karstadt und Hedonismus

Die Gemeinde, die sich da im Dom trifft, ist alt. Nach persönlichen Lebensjahren. Sie singt nicht. Der Chor auf der Empore übernimmt jede zweite Choralstrophe, die Orgel verstärkt die der Gemeinde Verbleibenden mit Brausen. Trotzdem oder gerade durch das Übertonen ist zu hören, die Gemeinde singt nicht. Wer es versucht, spürt bald den Druck, das einsame Zirpen unter der dicken Orgeldecke auf das murmelnde Scheingesinge der näheren Umgebung herunterzudrücken.

Pastor Müller predigt über die zehn Gebote. Das ist Teil einer Predigtreihe („Der Dom - Steinernes Zeugnis des Glaubens“) über Luthers Kleinen Katechismus. Die Domprediger leiten damit das Festprogramm zur 1200-Jahr-Feier der Domweihe durch Willehad am 1. November 789 ein. Die Gemeinde ist eben schon sehr alt, so alt wie die Stadt Bremen etwa. Die zehn Gebote und die an ihnen festhalten, sagt Pastor Müller, sind „out“. Sonst meidet er saloppe Worte, intoniert eher altes Kanzelpathos, schwäbisch dramatisiert. Pastor Müller streicht an den zehn Geboten - 500-fach in eine kleine, grüne Fibel gedruckt, wir kriegen die geschenkt und sollen sie weiterschenken - Pastor Müller streicht daran das Altmodische heraus. Bedroht seien sie vom Sozialismus auf der einen Seite, wo immer noch vom „Klassenkampf“ geredet werde und die Herrschaft des Menschen über den Menschen angegriffen. Bedroht seien sie aber auch vom Libertinismus, vom fröhlichen Sich-Ausleben auf Kosten und ohne Rücksicht auf die anderen. „Du sollst nicht ehebrechen,“ sagt des 6. Gebot. Schlicht und lapidar. Von drei Ehen, der geschlossen würden, gingen aber heute zwei wieder auseinander.

Die zehn Gebote sind das geoffenbarte Wort Gottes. Daß das wichtiger ist als der Zeitgeist, macht der Pastor deutlich. Das Altmodische daran, gerade daraus macht Pastor Müller eine Tugend.

Bei diesem Domprediger weht dabei der Geist - die Art der Sozialismusattacke weist darauf hin - eher von rechts. Wenn Pastor Danger in der Zionsgemeinde gegen den Kaufhaus -Hedonismus (und seine Anziehung auch auf die Gesellschaften des Ostens) wettert, weht er eher von links. Ob von Lechts oder Rinks, gemeinsam ist das Sich-Stemmen gegen die Vorstellung vom Glück als Karstadt plus viele Orgasmen, eine Vorstellung, die gerade die letzten weißen Flecken des Planeten erreicht. Gemeinsam ist das Insistieren auf dem Altmodischen, auf dem, was „out“ ist aber Gottes Wort.

Aber: Solange die alten Gemeinden Gottes altmodisches Wort weiter beschweigen statt zu singen, mindestens solange glaube ich denen gar nichts.

Uta Stolle

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