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Das Ende der „Junk-bonds“

Erneuter Börsensturz an der Wall Street als Folge wahnwitziger Übernahmeversuche / 200 Milliarden Dollar Buchwerte ausradiert / Bangen vor dem Öffnen der Börsen in Tokio und London  ■  Aus Washington Rolf Paasch

An der New Yorker Wall Street ist die Gier wieder einmal von der Angst abgelöst worden. Gestreßt und gespannt warteten am Sonntag Groß- und Kleinanleger, Brokerhäuser und Spekulanten nach dem Börsensturz vom Freitag auf die Wiedereröffnung der Aktienmärkte in Tokio und London, wo der Montagmorgen des globalen Handelns aufgrund der Zeitverschiebung am ehesten beginnt. Sollte sich der Börsensturz hier weiter fortsetzen, steht in New York die US-Zentralbank bereit, um mit Koffern von „Cash“ den Börsenhändlern und Banken finanzielle Entlastung zu bringen. Trotz laissez faire ist es im Ernstfall dann doch die sonst so verhaßte staatliche Planung, die mit dem Einsatz von Steuergeldern zur Rettung des kapitalistischen Kasinos in der Wall Street willkommen ist.

In dem bisher zweitgrößten Börsencrash seit dem berüchtigten 19. Oktober 1987 war in New York der Aktienindex des Dow Jones am Freitag nachmittag binnen einer Stunde um 190 Punkte gefallen und hatte auf diese Weise Buchwerte von knapp 200 Milliarden Dollar ausradiert. Diesmal war es offenbar die Kombination von Freitag, dem 13. Oktober, Vollmond und des Scheiterns der versuchten Übernahme der zweitgrößten US-Luftfahrtgesellschaft „United Airlines“ durch ihre Belegschaft, die zu einer plötzlichen Verkaufswelle führte.

Das Auslösen eines Börsencrash durch die Nachricht über das Scheitern eines einzigen Übernahmeversuchs macht deutlich, in welchem Ausmaß der jüngste Anstieg der Aktienpreise von tatsächlichen und angeblich bevorstehenden Übernahmeversuchen abhängig war. Nach einer mehr als einwöchigen Flaute auf dem sogenannten „Junk-bond„-Markt (Junk-bonds sind schlechtgesicherte, hochverzinsliche und deswegen hochriskante Anleihen, mit denen sogenannte „leverage buy outs“ mit Anteilsscheinen des neuen Unternehmens anstatt mit Cash finanziert werden), scheint nun selbst Wall Street nicht mehr an diese hochspekulativen Übernahmen zu glauben. Im Falle von „United Airlines“ wäre die von den Arbeitnehmern als Notwehr gegen eine feindliche Übernahme selbst gekaufte Fluglinie mit ihrem Schuldenberg am Ende so flugfähig gewesen wie ein Emu.

Einige Börsenanalytiker glauben deswegen, daß der jüngste Crash ein heilsamer Schock gegen den Take-over-Wahn der letzten Monate sein könnte. Aufgrund der verbesserten Kooperation zwischen den internationalen Börsenaufsichtsbehörden und der Akteure auf den Märkten nimmt kaum einer an, daß sich der „Schwarze Montag“ von 1987 heute noch einmal wiederholen wird. Die „Junk-bonds“ aber haben wohl ihre Blütezeit hinter sich.

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