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Standbild: Schnittbild-Eldorado

■ Zeitgenossen - Was wurde aus Beate Klarsfeld?

(Zeitgenossen - Was wurde aus Beate Klarsfeld? Eins Plus, Montag, 16.10., 21.15 Uhr) Der ARD-Kulturkanal Eins Plus einmal nicht als Endlager für Beiträge, die eh keiner mehr zu sehen wünscht und trotzdem vorgesetzt bekommen - eine Wiederholung des Widerwillens. Nun also Neues. Der Moderator sagte sie ganz stolz an, die zweite Folge der neuen Reihe „Zeitgenossen“, die exklusiv für Eins Plus produziert wurde. So müssen wir es uns also vorstellen, wenn beliebig verfügbare Sendezeit mit Programm gefüllt wird, für das einfach das Geld fehlt: Konserven-Fernsehen, ja genau, auch in diesem neuen, doch so exklusiven Programm, Archiv -Fernsehen, Altmaterial-Aufbereitung, ein Schnittbild -Eldorado mit Fundstellenverzeichnis. Report und Panorama, Panorama und Report, 1971 und 1974, Jahreszahlen und dazugehörige Bildschnipsel, akribisch zusammengetragen zu einem Etwas, das sich Film nennt und von Beate Klarsfeld handeln sollte. Fernsehen auf Sparflamme. Das teuerste an diesem Feature war wahrscheinlich der Flug nach Paris, aber den konnte der Etat bestimmt verkraften, denn das Interview ließ sich doch sicher in einem Tag abdrehen.

Nun ja, dieser Geiz aus Berechnung hätte dem Beitrag über die streitbare Nazijägerin nicht abträglich sein müssen, schließlich rechtfertigt das jahrzehntelange Aufspüren von alten Naziverbrechern einen tiefen Blick ins Archiv. Der Sender - diesmal war der Südwestfunk ausführender Sparstrumpf-Stricker - hatte auch mit der Länge des Films wenig Erbarmen. In einer knappen halben Stunde mußte Patricia Möckel die Vita von Beate Klarsfeld durchhecheln, da blieb nur Platz für eine oberflächliche Fragen -Strichliste. Die Aktionen? Antwort. Nächste Frage. Die Motivation? Antwort. Archivbilder. Die Eltern? Die Ehe? Die nächsten Projekte? Wo sollte da noch Luft sein für ein Nachdenken an besonders interessanten Punkten. Da blieb zum Beispiel die wichtige Frage offen, ob das Ehepaar Klarsfeld sich nicht dadurch unglaubwürdig gemacht habe, daß sie bei einem Scheitern der Auslieferung von Klaus Barbie auch an einen Auftragsmord gedacht hatte. Die Antwort fiel unbefriedigend aus, aber die Zeit zum Nachfragen fehlte. Zum Schluß bleibt nur eines hängen. Der Kameramann hat verschlafen, als die „Klarsfeld“ 1968 Kurt Georg Kiesinger im Bundestag ohrfeigte. Am Drücker war dagegen ein Pressefotograf, das Fernsehen liefert nur nach; Bilder von dem, was anschließend geschehen ist: Beate Klarsfeld wird abgeführt. Die Zeiten haben sich also nicht geändert, schon damals mußte Material gespart werden. Immer an der richtigen Stelle.

Christof Boy

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