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Zäher Dialog um El Salvador

Zweite Verhandlungsrunde in Costa Rica: Grundlegende Differenzen erschweren Friedensdialog / El Salvadors Armee diktiert der Regierungsdelegation die Bedingungen  ■  Aus San Jose Ralf Leonhard

In Costa Rica begann am Montag die zweite Dialogrunde zwischen Vertretern der Befreiungsfront Farabundo Marti (FMLN) und der ultrarechten Arena-Regierung El Salvadors. Obwohl der Gastgeber, Präsident Oscar Arias, in seiner Eröffnungsansprache darauf drängte, daß der seit zehn Jahren tobende Bürgerkrieg El Salvadors bei diesem Treffen in seinem Land beendet würde, gab der erste Verhandlungstag wenig Anlaß für optimistische Prognosen.

Die FMLN hatte schon beim ersten Treffen Mitte September einen Dreistufenplan vorgelegt, der die Umwandlung der Guerilla in eine Partei und vorgezogene Parlamentswahlen vorsah. Wichtigste Voraussetzungen: die Säuberung und Reduzierung der Streitkräfte und die Einstellung der Repression gegen die Volksorganisationen. Statt einer offiziellen Stellungnahme dazu brachte die Regierungsdelegation unter dem Vorsitz von Präsidentschaftsminister Martinez Varela und Justizminister Santamaria einen Gegenvorschlag mit, den die FMLN als Aufforderung „zur bedingungslosen Aufgabe“ sieht.

Der Plan sieht einen Waffenstillstand ohne Vorbedingungen ab heute vor. „Wir würden damit akzeptieren, daß die herrschenden Zustände ideal für eine demokratische Entwicklung sind“, erklärte Comandante Joaquin Villalobos seine Ablehnung. Der Plan verlangt nicht nur von der FMLN den Verzicht auf „Angriffe und feindselige Akte“, sondern fordert auch eine Einstellung der Protestmärsche der Volksorganisationen, die für die Regierung allesamt als „Frontorganisationen“ der Guerilla gelten.

Die Armee werde im Gegenzug auf Offensivoperationen verzichten. Bis zum 15. Januar 1990 soll die FMLN demobilisiert und ins zivile Leben eingegliedert werden. Zweifelhaft ist jedoch, ob die Regierung überhaupt ausreichend Einfluß auf die Streitkräfte hat, um deren Wohlverhalten zu garantieren. So hatte Luftwaffenchef General Bustillo am Vorabend der Dialogrunde die Guerilla als einen Kampfstier bezeichnet, den man nicht lebend aus der Arena lassen dürfe.

Die FMLN-Vertreter sind nicht bereit, einen Waffenstillstand zu unterzeichnen, solange nicht minimale Garantien für eine demokratische Entwicklung gegeben sind. In den vier Monaten der Regierung Cristiani sind 449 Personen aus politischen Motiven ermordet worden und 61 nach ihrer Festnahme durch Regierungskräfte verschwunden. Daher ist die Waffenruhe erst der letzte Punkt, über den die FMLN verhandeln will.

Ganz oben auf ihrer Liste stehen Verfassungsreformen und die Professionalisierung der Streitkräfte, Garantien für Menschen- und Bürgerrechte sowie die Reform des korrupten Justizapparates. Der Verhandlungsprozeß wird langwierig und mühsam sein, denn die Meinungsverschiedenheiten beginnen schon bei der Einschätzung über den Charakter des Konflikts.

Was für die FMLN ein offener Krieg ist, gehört für die Regierung in den Bereich des Strafrechts und erfordert eine Amnestie für die „Delinquenten“. Das einzig Gemeinsame sei der „Wille, eine Lösung zu finden“, erklärte einer der Beobachter am Ende des ersten Verhandlungstages.

Das Gesprächsklima sei trotz aller Schwierigkeiten gut und frei von persönlichen Beschimpfungen. Während die FMLN durch die Guerillaführer Schafik Handal und Joaquin Villalobos auf höchster Ebene vertreten ist, muß die Regierungsdelegation jedes Abrücken vom vorgegebenen Plan mit dem Präsidenten und der Armee abstimmen. So begannen zwei Offiziere, die als „Berater“ mitgekommen sind, Zettelchen an die Delegationsmitglieder zu schicken, als es um die Bedingungen für die Waffenruhe ging.

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