: Spartanisches Wohnen in der Tennishalle
■ Tennishalle in der Waldschulallee zu Studentenwohnheim umfunktioniert / Am ersten Semestertag wohnen dort nur zehn StudentInnen / Trotzdem ist die studentische Wohnungsnot groß wie nie zuvor / Die Ausstattung: Spind, Stuhl und Bett
Eine spezielle Hausordnung hat man beim Studentenwerk entworfen, um einen „geregelten Betrieb“ in der Halle zu gewährleisten. Die Tennishalle in der Waldschulallee war auf Anordnung von Wissenschaftssenatorin Riedmüller bereitgestellt worden, um dem erwarteten Ansturm von Studentenmassen zu Anfang des Semesters zu begegnen. Von Massen ist bei einem Rundgang durch die Halle am ersten Tag des Wintersemesters aber weit und breit nichts zu sehen. Vielmehr fühlt man sich in der für maximal 150 Bewohner ausgelegten Unterkunft eher einsam. Trotz aller Klagen über fehlenden Wohnraum scheinen fast alle neu nach Berlin gekommenen Studenten zumindest eine erste Notunterkunft bei Freunden oder Verwandten gefunden zu haben. In dem schummrigen Licht, das die Notbeleuchtung verbreitet, lassen sich am ersten Tag dieses Wintersemesters nur knapp zehn Studenten auftreiben. Zwei weitere hätten sich noch vormerken lassen, berichten die beiden Studentinnen, die vom Studentenwerk für die Hallenaufsicht eingestellt worden sind und gerade Dienst haben. Auch an den vergangenen Tagen sei hier nicht mehr los gewesen, erzählen sie.
Oliver, einer von der Handvoll Bewohner, die am Montag abend in der Tennishalle anzutreffen sind, hat von der Zentralstelle für die Vergabe von Studienplätzen (ZVS) in Dortmund einen der begehrten Studienplätze im Numerus -Clausus-Fach Architektur an der TU zugewiesen bekommen. Von der Möglichkeit, in der Tennishalle unterzukommen, habe er beim Studentenwerk erfahren. An der Uni selber habe er keine Informationen darüber gesehen. Zusammen mit Ramin, der Elektrotechnik studieren möchte, genießt er die Ruhe in der weiten Halle. Beide fühlen sich offenbar ganz wohl in diesem Provisorium.
Zum Studieren sei die Halle aber wohl nicht geeignet, schätzt Oliver. Dazu ist die magere Einrichtung aus Spind, Feldbett, einem Klappstuhl und je einem Tisch für zwei Übernachtungsgäste auch denkbar ungeeignet. Beide hoffen denn auch, daß das Studentenwerk ihnen demnächst ein Zimmer in einem Studentenwohnheim zur Verfügung stellen kann, um dann tatsächlich studieren zu können. Schwer begeistert sind beide von dem üppigen Frühstück, das im Übernachtungspreis von zehn Mark einbegriffen ist und jeden Morgen vom Studentenwerk angeliefert wird. „Mehrere Sorten Wurst und Käse, Marmelade, Honig, Kaffee, Milch, Schrippen und Brot“, schwärmen sie.
Darüber, warum das Angebot so wenig Resonanz findet, gehen die Meinungen auseinander. Die Studenten in der Halle berichten übereinstimmend, daß sie außerhalb des Studentenwerks keinerlei Hinweise auf die Übernachtungsmöglichkeit in der Tennishalle an der Uni bemerkt hätten. Das Studentenwerk und die Sprecherin des Wissenschaftssenats dagegen nehmen an, daß viele Studenten anderweitig „Schlupflöcher“ gefunden hätten, und viele wohl auch zu zweit oder zu dritt in einem Zimmer wohnen. Aus der mangelnden Nachfrage zu schließen, die Wohnungsnot der Studenten sei doch nicht so groß wie angenommen, halten sie für falsch.
Insgesamt ist die Aktion für die Dauer von drei Monaten geplant. Für diesen Zeitraum hat das Studentenwerk etwa 250.000 Mark veranschlagt, wie Geschäftsführer Hans-Jürgen Fink auf Anfrage mitteilte. Darin sind die Miete für Inventar und den Umbau der Tennishalle sowie die Personalkosten enthalten. Zumindest einen Teil des Geldes will er im Rahmen eines Nachtragshaushaltes von der Senatorin zurückfordern, denn diese habe schließlich die ganze Aktion angeordnet. Diese ist jedoch, nach Aussage ihrer Pressesprecherin Sigrid Kneist, nicht geneigt, Geld locker zu machen, schließlich habe das Studentenwerk die Akion durchgeführt und müsse sie auch finanzieren.
Sollte die Nachfrage nach kurzfristigen Übernachtungsmöglichkeiten, so Fink, jedoch in dieser Woche weiter gering sein, so werde er sich dafür einsetzen, daß die Aktion bald abgebrochen werde. Ähnliche Überlegungen sind auch aus dem Wissenschaftssenat zu vernehmen. Hier will man aber noch abwarten, bis die letzten Nachrücker von der ZVS sich in den Numerus-Clausus-Fächern eingeschrieben haben.
Bei der Zentraleinrichtung Hochschulsport (ZEH) der TU geht man dagegen davon aus, daß die Tennishalle schon bald wieder ihrer eigentlichen Bestimmung dienen wird. Die Verlosung der Tennisplätze für das Wintersemester findet, wie aus der ZEH verlautete, wie geplant statt.
thok
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