: Stimmen aus West-Berlin
■ Was passiert nach Honeckers Rücktritt - eine Umfrage
Waltraud Kausch (49), Übersiedlerin aus Ost-Berlin, wohnt zur Zeit im Auffanglager in der Lindenstraße. Sie kann sich nicht vorstellen, daß sich durch Honeckers Rücktritt etwas ändert: „Ein Mensch kann sich nicht von heute auf morgen ändern, eine Regierung auch nicht“, stellt sie resigniert fest. Sie wird sich deshalb auch nicht überlegen wieder zurückzugehen. Und Honeys Nachfolger Krenz hält sie „für einen kleinen Mitläufer“. Sie weiß, daß er Alkoholiker ist und schwer unter Zuckerkrankheit leidet. „Für solche Posten braucht man aber gefestigte Typen.“
Jürgen Schröder (41), Übersiedler aus Ost-Berlin, wohnt auch im Auffanglager in der Lindenstraße. Er ist nicht überrascht: „Das war nur eine Frage der Zeit.“ Für seine Zukunft habe dies aber „keine Bedeutung“. In seinem Bekanntenkreis kenne er niemanden, der deshalb nun zurück in die DDR gehen wird, „die Leute, die ich kenne, haben es sich lange überlegt“.
Eine Rentnerin (62) aus Gera in der DDR, die gerade in West -Berlin zu Besuch war, freut sich, glaubt aber kaum, daß sich etwas verändert. Die Übersiedler werden nicht zurückkommen, sagt sie überzeugt. Ihre Freundin meint über den neuen Staatsratvorsitzenden Krenz: „Wenn man uns einen Stasi-Mann vorsetzt, dann kann man sich alles schon denken.“
Meike Buetius (18) aus Hessen, die gestern Ost-Berlin besuchte, ist völlig überrascht, ist sich aber sicher, daß sich „auf jeden Fall was ändern wird“. Sie glaubt, daß die Übersiedler erstmal abwarten werden, wie weit sich Reformen durchsetzen. Aber dann würden viele zurückwollen, die DDR „ist doch ihre Heimat“.
Eine 79jährige Rentnerin aus dem Wedding fragt: „Mußte das erst soweit kommen, daß alle jungen Leute weglaufen?“ Sie hofft, daß es in der DDR jetzt mehr Freiheit und Reiseerleichterungen geben wird.
Frank Lachmann (23) aus Tegel findet den Rücktritt „korrekt“. Zu den Übersiedlern sagt er: „Ich hoffe nicht, daß die zurückgehen.“
taz
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen