piwik no script img

Lachhaft-betr.: "Karsten Voigt nimmt Grünen Illusionen", taz vom 13.10.89 / Rot-Grüner Waffenexport - das neue Essential der SPD

betr.: „Karsten Voigt nimmt Grünen Illusionen“,

taz vom 13.10.89

Auch wenn sie schon fast ausgestorben sind, es gibt sie doch noch: jene Spezies Mensch, die es immer noch nicht kapiert haben, daß in der SPD einfach keine linke Politik zumachen ist. Zwar dürfen Sie in ihrer Partei auch ab und zu mal zu Wort kommen, aber nur, damit sich die wirklichen EntscheidungsträgerInnen innerhalb der SPD mal so richtig amüsiert auf die Schenke schlagen können. Die sogenannte SPD -Linke ist die Clown-Truppe der Partei, sie geniest Narrenfreiheit. Diese Tatsache mag auch dazu beigetragen haben, daß diesen Menschen die letzten Reste eines Realitätssinnes abhanden gekommen sind: Sie glauben immer noch, daß man auf sie hört.

Ein solcher Anflug von Größenwahn muß es auch gewesen sein, der Karsten Voigt letzte Woche zu einer Pressekonferenz trieb, in der er den Grünen Vorschriften machen wollte, was sie zu tun oder zu lassen hätten, wenn sie eine Koalition mit der SPD eingehen wollten. Sein Forderungskatalog geriet aber eher zu einer Zurschaustellung der politischenn Kastration jener, die sich als „Linke“ in der SPD fühlen. So fordert die SPD-Linke, die Grünen müßten „Ja“ zum militärischen Angriffsbündnis namens Nato sagen, die Wehrpflicht anerkennen, militärischen Beschaffungsmaßnahmen zustimmen und schließlich sogar fortdauernde Rüstungsexporte genehmigen - andernfalls werde nichts aus einer rot-grünen Koalition.

Natürlich sind solche Forderungen lachhaft, da die SPD sich nach der Bundestagswahl 1990 gar nicht in der Position befinden wird, den Grünen irgendwelche Forderungen zu stellen. Welche anderen Parteien kämen denn ernsthaft für eine Koalition mit der SPD in Frage? Selbst wenn die FDP den Sprung über die fünf-Prozenthürde schaffen sollte, so wird sie nicht genügend Stimmen mitbringen, die eine Neuauflage der sozialliberalen Koalition möglich machen könnte. Da eine große Koalition ebenso unvorteilshaft für die SPD wäre wie eine Ampelkoalition, sollten sich die Genossen im Ollenhauer -Haus endlich an den Gedanken gewöhnen, daß sie auf die Grünen angewiesen sein werden.

Karsten Voigt wird es wegen seiner verkehrten Weltsicht vielleicht nicht ganz verstehen können, aber die Grünen sind es, die die Forderungen stellen können und müssen.

Als erstes werden die Grünen die SPD auffordern zu erklären, ob sie wirklich die Regierungsgewalt übernehmen will. Dies mag paradox klingen, ist aber nach dem Staatsstreich von Börner in Hessen 1987 durchaus nicht selbstverständlich. Damals ließ man lieber eine CDU-FDP -Regierung an die Macht kommen, als weitere Verunsicherungen der Atomindustrie durch eine rot-grüne Landesregierung zu dulden. Auch bei der letzten Bundestagswahl konnte den/die aufmerksamen BeobachterInnen das Gefühl beschleichen, die SPD wollte diese Wahl nicht um jeden Preis (nämlich einer rot-grünen Bundesregierung) gewinnen.

Unter der Voraussetzung, daß die SPD wirklich eine rot -grüne Regierung anstrebt, muß die SPD einsehen, daß es für eine solche Koalition tödlich wäre, wenn die Grünen zu einer „kleinen SPD“ verkommen würden. Haben denn die Hombachs und wie sie alle heißen noch nie was von „politischer Arbeitsteilung“ gehört? Dabei haben es die jetzigen Regierungsparteien doch jahrelang vorgemacht: Die CSU deckte rechtsaußen ab, die CDU die konservative Mitte und die FDP konnte sogar noch einige Linksliberale zu einem Kreuzchen für diese Regierung überreden. Analog hierzu könnte eine rot -grüne Koalition das gesamte linke Spektrum von der DKP über die SPD-Linke bis zu den sozialliberalen WählerInnen abdecken, wenn beiden Parteien genug Platz gelassen wird, sich in die jeweiligen Richtungen hin zu profilieren. Die SPD sollte daher aufhören, den Grünen irgendwelche Vorschriften machen zu wollen, wenn sie wirklich bei der nächsten Bundestagswahl eine Gegen-Wende herbeiführen will. Carsten Paff, Die Grünen

Lolar (Hessen)

Rot-Grüner Waffenexport - das neue Essential der SPD

Auf der ganzen Welt ist alles im Fluß. Nur auf der Grundlage dieser tiefschürfenden Analyse wird auch sozialdemokratische Politik verständlich, zu der trotz aller Abrüstungsbemühungen die Forderungen Karsten Voigts an die Grünen gehört, ein positives politisches Bekenntnis zur Militärpolitik der Bundesrepublik abzulegen. Das ist den Grünen zuzumuten, schließlich hat die SPD höchstselbst in den fünfziger Jahren von der Ohne-mich-Bewegung gegen die Remilitarisierung Abschied genommen, schweren Herzens natürlich, sieht man einmal von Helmut Schmidt ab, der jene Bewegung seinerzeit mißverstand und dachte, daß die Bundesrepublik sonst ohne ihn bliebe. Es ist aber angesichts der Grünen Koalitionsgeilheit wahrscheinlich schon jetzt keine Zumutung mehr...

Aber bleiben wir bei einer Forderung - der Teufel steckt im Detail! - des Sozialdemokraten Karsten Voigt: der nach Anerkennung des Rüstungsexports. Man muß es sich auf der verbrannten Zunge zergehen lassen: Ein mitteljunger, aufstrebender, angeblich linker Sozialdemokrat, der wohl vor dem Krieg sogar einmal Juso-Bundesvorsitzender gewesen sein soll (genauere Dokumente fehlen), spricht sich äußerst verhalten für die Möglichkeit einer Diskussion in der SPD über eine rot-grüne Koaltion aus. Um seine Partei in diese Richtung zu bewegen, stellt er den Rüstungsexport als sozialdemokratisches Essential in die politische Landschaft. Wir sollten ihm dabei nicht unrecht tun: Natürlich will auch er, daß Waffengeschäfte von dieser Welt verschwinden! Nur eben nicht jetzt! Offensichtlich kommt auch eine sozialdemokratisch-gelenkte Regierung nicht ohne Waffenexporte aus - selbstverständlich nur in Nicht-Krisen -Gebiete (was auch immer das sein mag). Warum ist das so? Und warum hat sich auch der zukünftige Koalitionspartner daran zu halten?

Ich fände es wünschenswert, mit Karsten Voigt ein Interview ausschließlich zu diesem Thema zu führen: über das Ausmaß des Rüstungsexports aus der Bundesrepublik in alle Welt, seine wirtschaftliche Bedeutung und arbeitsmarktpolitische Wirkung, die Haltung der Gewerkschaften inner- und außerhalb dieser Betriebe sowie die Haltung der sozialliberalen Regierungen und der SPD als Opposition. In einem solchen Gespräch müßte dann auch die grundsätzliche Frage gestellt werden, warum dieser Punkt für die SPD wesentlich ist? Ganz unvoreingenommen und von außen könnte man ja zu dem Schluß gelangen, eine SPD würde eine Koalition mit den Grünen unter anderem auch deshalb eingehen wollen, um den Rüstungsexport zu beseitigen. Das scheint jedoch völlig abwegig zu sein.

Näher liegt da doch die Koalition mit der FDP oder der CDU: die unterscheiden sich in dieser Frage nicht von Karsten Voigt. Warum dann aber zumindest kleinere Teile der Grünen unnötig quälen, wenn sich die SPD am Schluß wegen Uneinigkeit in diesem Punkt leichten Herzens den soliden Parteien zuwendet und zuvor nur Unruhe ins grüne Lager getragen worden ist? Mehr Mitleid mit den Kleinen!

Remigiusz Wojnar, zur Zeit Marburg

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen