: Polizei hat Innensenator Sakuth geleimt
■ Bürgerschafts-Debatte um Drogenhändler-Antrag / Kudella (CDU) präsentierte vertrauliche Polizeiinformationen
Mit einem Paukenschlag endete gestern die Debatte um den CDU -Antrag „Abschiebung eines Drogenhändlers“ in der Bürgerschaft. Nach der einhelligen und vehementen Mißbilligung seiner parlamentarischen Initiative in Bedrängnis geraten, präsentierte der CDU -Fraktionsvorsitzende Peter Kudella dem erstaunten Parlament ein Stück Papier, aus dem hervorgehen sollte, daß seine Behauptungen richtig, die des Innensenators dagegen falsch seien. Das Brisante dabei: Das Stück Papier stellte Kudella als Tagebuchauszug des Bremer Sondereinsatzkommandos (SEK) vor, in dem klipp und klar stehe, daß der Verdächtige C. bei seinen Festnahmen im Besitz von Rauschmitteln gewesen sei. Träfe dies zu, hätte die Polizeibehörde ihren obersten Dienstherrn, den Innensenator, mehrfach und wissentlich falsch unterrichtet.
Zur Vorgeschichte: Seit mehreren Wochen baut Kudella den vermeintlichen „Fall“ eines türkischen Kurden zum exemplarischen Lehrstück über „die skandalöse bremische Drogen- und Asylpolitik“ auf. Von Anbeginn an galt ihm dabei der Personen-und Datenschutz wenig - mehrmals nannte er den vollen Namen des Mannes in aller Öffentlichkeit. Auch mit dem Etikett „Drogenhändler“ war der CDU-Politiker schnell zur Hand. Dem Innen
senator Sakuth warf er vor, einen mit Haftbefehl gesuchten und des Drogenbesitzes überführten Asylbewerber stets wieder auf freien Fuß gesetzt zu haben. In ihrem Bürgerschafts -Antrag forderte die CDU den Senat auf, „anzuweisen, den am 21.9. um 10:50 Uhr festgenommenen, auf ausdrückliche Weisung des Innensenators aber wieder auf freien Fuß gesetzten ausländischen Drogen
händler ..., der bereits mehrfach einschlägig aufgefallen ist, unverzüglich wieder festzunehmen und aufgrund des Haftbefehls des Amtsgerichts Stade dorthin zu überstellen.“
In aller Schärfe distanzierten sich die RednerInnen von SPD, Grünen und FDP von diesem Antrag. Kudella, so der FDP -Abgeordnete van Nispen, verstoße gegen „fundamentale Bestand
teile des Rechtsstaates“, er ignoriere den „ungeschriebenen Verfassungsgrundsatz der Unschuldsvermutung“ und greife „unzulässigerweise in ein schwebendes Verfahren ein“.
Innensenator Sakuth, der als letzter Debattenredner ans Pult trat, bezichtigte Kudella der „Vorverurteilung“ und „Denunziation“. Er arbeite mit „wissentlich falschen Behauptungen“ und
„fordere den Senat zu rechtswidrigem Handeln auf“. Sein Fazit: Kudella scheine „an der Wahrheit gar nicht so sehr interessiert zu sein“. Denn weder gebe es einen Haftbefehl gegen den Kurden, noch sei er jemals in Bremen im Besitz von Drogen festgenommen worden. Das Stadt- und Polizeiamt habe ihm, dem Innensenator, dies ausdrücklich und schriftlich bestätigt.
Mit Kudellas (vermeintlicher) Trumpfkarte, den SEK -Vermerken, geriet unversehens die Informationspolitik der Polizei in den Mittelpunkt der Auseinandersetzung. Der CDU -Politiker hatte sich, wie er im Gespräch mit der taz erklärte, die entsprechenden Dienstvermerke von verschiedenen Polizeibeamten vorlesen lassen, sie handschriftlich notiert und danach nochmals überprüft. Für den 7. und 8. September enthalte, dafür verbürge er sich, das Tagebuch einen Computerschlüssel, der explizit den „Besitz von Rauschmitteln“ beinhalte. Dem Innensenator, der von dieser Nachricht überrascht wurde, händigte Kudella die Notizen aus, um „ihm eine faire Chance zu geben, das Ganze zu überprüfen“. Aus den Reihen der Polizei war gestern zu der Frage, wie ihre widersprüchliche Informationspolitik zu bewerten sei, keine Auskunft zu bekommen.
Andreas Hoetzel
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