: Hochhäuser sind teuer und ungesund
■ Interview mit einem Experten für Baubiologie und ökologischen Wohnungsneubau / Die taz sprach mit dem Architekten Dipl. Ing. Joachim Eble aus Tübingen / „Das ICC sollte Sondermülldeponie werden“
Joachim Eble gilt als Experte für Baubiologie und ökologischen Wohnungsneubau. „Vor zwölf Jahren war ich ein renommierter Architekt, dann ein Spinner und Aussteiger und jetzt bin ich wieder renommierter Architekt“, sagt er über sich. Eble gilt auch als entschiedener Gegner von Hochhäusern. Derzeit wird in Berlin wieder über Hochhausprojekte nachgedacht, sowohl von Wohnungsbauunternehmen wie auch vom Bausenator. Für ein Hochhausvorhaben auf dem Moabiter Werder sind bereits Modelle erarbeitet. Die taz sprach mit Joachim Eble anläßlich des Fachseminars der Berliner Wohnungswirtschaft diese Woche im ICC.
taz: In Berlin werden angesichts der Wohnungsnot wieder Hochhausbauplanungen avisiert. Sie haben sich grundsätzlich dagegen ausgesprochen. Warum?
Joachim Eble: Man bringt auf der gleichen Fläche in einem Hochhaus nicht mehr Wohnungen unter als in Flachbauweise. Denn die Dichte hängt davon ab, was die Landesbauordnung als Mindestabstand fordert. Und dann fragt sich, ob hinter dieser Forderung nach mehr Wohnungen nicht die harten wirtschaftlichen Kräfte stecken, die auch in den sechziger Jahren ihre Schnäppchen gemacht haben.
Können wir uns derzeit neue Wege leisten?
Die Kohl-Regierung ist vor Jahren angetreten, das Städtebauministerium aufzulösen, weil es angeblich keine Wohnungsprobleme mehr gibt, aber das war eine Fehleinschätzung. Und jetzt müssen sie irgendwas aus dem Hut zaubern, und deshalb ist jetzt Quantität statt Qualität angesagt. Woanders, etwa in der Rüstung, spielt Geld ja auch keine Rolle. Deshalb sollte die Bundesregierung ein qualitatives Wohnungsbauprogramm finanzieren.
Ist das nicht Luxus für Gutverdienende?
Im Gegenteil. Wir haben viele Randgruppen, nicht nur Aussiedler, sondern auch alte Menschen und kinderreiche oder alleinerziehende Familien. Und die brauchen andere Wohnformen als dieser Massenwohnungsbau, der jetzt anvisiert ist. Für die sind Hochhäuser das Allerfalscheste. Denn ein Hochhaus isoliert die Menschen. Pro Stockwerk gibt es nur wenige Wohnungen. Die Flure dazwischen sind so klein, daß kaum Kommunikation möglich ist. Außerdem ist ein Hochhaus wahnsinnig teuer.
Warum ist eine Wohnung im Hochhaus teurer als eine andere?
Weil es schwierige Voraussetzungen in der Konstruktion und der Statik gibt. Auch die Reparatur- und die Betriebskosten sind höher, und wenn die Fassade saniert werden muß, explodieren die Ausgaben. Schon jetzt ächzen ja die Unternehmen, die ihre Sechziger-Jahre-Klötze sanieren müssen.
Sie hatten vor gesundheitlichen Gefährdungen in Hochhäusern gewarnt..
Viele Naturärzte und das Bundesgesundheitsamt meinen, daß die elektromagnetischen Felder in der Stadt - Radar, Stromleitungen - biologisch wirksam sind, so daß Menschen drunter leiden. Und im Hochhaus werden die potenziert. Denn ein Hochhaus ist ein Stahlbetonkäfig. Jede Wohnung wirkt wie ein Kondensator. Felder, die von außen kommen, werden verstärkt und nach oben abgegeben. Wenn Sie im Hochhaus einen Fernseher anstellen, der an der Wand steht, dann können Sie dessen Feld noch im obersten Stock messen.
Können Sie dafür ein Beispiel nennen?
Ich habe mit dem Berliner Architekten Eckhardt Hahn die Hochhausplanung am Moabiter Werder untersucht. Die Hochhäuser dort an der S-Bahn sind Antennen für den Bahnstrom. Die Kriechströme von der Bahn kommen über die Erdung direkt ins Haus, so daß bei jedem vorbeifahrenden Zug das Haus leicht unter Strom steht.
Ist das alles, was aus gesundheitlicher Sicht gegen Hochhäuser spricht?
Nein. Einmal gibt es Brandschutzvorschriften für Hochhäuser, die baubiologische Materialien wie Holz ausschließen, und nichtbrennbare, synthetische Materialien wie Beton oder Metall vorschreiben. Außerdem produziert ein Hochhaus sehr ungünstige klimatische Verhältnisse. Durch die Thermik entstehen hohe Luftgeschwindigkeiten im Umfeld. In Wien steht eine Siedlung, da stürmt es jeden Tag, und hundert Meter neben der Siedlung ist Windstille. Wenn es permanent zieht, kann man mit den Freiflächen nichts mehr anfangen. Dazu kommt, daß die Häuser durch den Wind ständig auskühlen, und das verbraucht viel Energie. Das kann man wieder nur mit Materialien für die Fassade lösen, die nicht baubiologisch sind.
In anderen Städten gibt es doch auch Hochhäuser eng nebeneinander. Da müßten diese Klimaprobleme doch auch auftreten.
Ja, die treten da auch auf, aber die Leute ertragen das. Es gibt aber noch grundsätzlichere Probleme. Die Verhaltensforschung lehrt uns, daß es für Dichte Grenzen gibt. Der Mensch ist archetypisch ein Kleingruppenwesen mit bestimmten Bedürfnissen an Sicherheit, an „Sehen, aber nicht gesehen werden“. Und wenn die Population zu dicht wird, dann passiert es wie bei den Ratten, daß die in sich oder um sich beißen. Die Auswirkungen sind dann beim Menschen das Drogenproblem oder der Vandalismus.
Wieviel Dichte erträgt ein Mensch?
Meine Projekte in Baden-Württemberg haben eine Geschoßflächenzahl (GFZ; das Verhältnis zwischen Grundstücksfläche und Wohnfläche; je höher die GFZ, desto dichter, d.Red) von 1,0 bis 1,1, mehr geht nicht.
Das ist doch mit großstädtischen Bedingungen sowieso nicht vergleichbar. Wir haben in Berlin in der Gropiusstadt eine GFZ von 2,0 im Durchschnitt, in Altbaublöcken sogar mehr.
Die Großstadtsituation ist ohnehin anders. Aber diese Blöcke sind eigentlich auch zu dicht. Da stimmen Belichtung und Besonnung, die Städtebauhygiene nicht mehr.
Wie gefällt Ihnen das ICC?
Das sollte man als Sondermülldeponie verwenden. Hier stimmt überhaupt nichts: Die Luft, die Wärme, das Klima, die Feuchtigkeit, das Licht, alles was der Mensch zum täglichen Überleben braucht, ist hier manipuliert und kaputt gemacht.
Interview: esch
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