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Kultur als Biotop-betr.: "Unter der Asche Sterndiamanten", taz vom 9.10.89

betr.: „Unter der Asche Sterndiamanten“, taz vom 9.10.89

Das Interview zeigt unter anderem, daß auch unter den neuen polnischen Verhältnissen Kultur im politischen Raum nach etablierten Voraussetzungen handelt. Sowohl das Zivilisationsmodell „Industriegesellschaft“ („die Zivilisationsunterschiede sollen aufgehoben werden“) als auch die „freie Entfaltung von Kultur“ implizieren ja nach wie vor in Ost und West ein Verständnis von Freiheit, das die Rechte und Bedürfnisse der Lebenswelt weitgehend ignoriert.

„Kultur als Biotop“ ist offenbar auch im ökologisch so geschlagenen Polen keine für Politik taugliche Prämisse. Und das, obwohl nur weniges offensichtlicher ist als die Tatsache, daß die Imitierung der westlichen Zerstörungsmaschinerie so perfide ist, da letztere gewöhnlich aufgrund anerkannter demokratischer Entscheidungsprozesse funktioniert.

Die Kommerzialisierung westlicher Kultur ist ja grundsätzlich nicht deshalb schlecht, weil dadurch schlecht(er)e Kultur entsteht, sondern weil das lebensbedrohliche Prinzip des Profites, das außer beim Menschen sonst in der Natur ja nirgendenwo vorkommt, Kultur automatisch in einen existenziellen Gegensatz zur Natur setzt. Andererseits wäre es eine große Leistung politischer Kultur, Politik, Ökonomie und Moral, von denen Frau Cywinska spricht, nach Regeln zu organisieren, die kompatibel mit den Rechten und Bedürfnissen der Ökosphäre sind. Herr Falin (taz 2.10.89) hat die Aufmerksamkeit auf das neue Denken unter dem gesichtspunkt „Gattungsproblem“ gelenkt. Er hat recht. Die biologisch-ökologische Neubewertung unserer Politiken tut not, weil die Lebenswelt insgesamt bedroht bleibt.

Lebensstandard von Gesellschaften und Fortschritt in den Kulturen ist geknüpft an die Wachsamkeit gegenüber zerstörerischen Momenten und deren Prävention. Keine Nation des Westens leistet hierbei bisher Adäquates. Warum sollte der Neuanfang in Europas Osten da nicht auch neue Vorbilder bringen? Wertentscheidungen sind doch allemal Zeichen von Kultur.

W.Günther, Ahnatal 1

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