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Nichts als ein Laudrup

taz-Reporter tief getroffen von ungeheuer fußballerischer Nichtigkeit bei Tristesse total von Bayer Dänemark - Werder Bremen 0:1  ■  Aus Krefeld Bernd Müllender

Hans-Hubert Vogts, als junger Berti einst von jeder Stürmerwade gefürchtet, derzeit noch Nachwuchs-Teamchef des DFB, gleichzeitig als Kronprinz des Kaisers auf den Tribünen der Liga unterwegs, reckt den kurzen Hals. Keinen Torschuß verpassen. Und was für Klasse-Tore er sieht. Krachende Kullerbälle, einer nach dem anderen. Grandiose Torwartparaden. Ausgerechnet der kleinste der Elfmeter -Kunstschützen löffelt drüber. Daß ein Fünfjähriger den Ball schon so hoch schießen kann. Einmal fliegt der flohhafte Linienbub prächtig und hält, und das, ohne umzufallen. Warmer Applaus von den Rängen, und Vogts scheint für die Zeiten nach der näheren Zukunft keine Sorgen zu haben.

Die Pauseneinlage von Bayer Uerdingens F-Jugend hatte hohen Unterhaltungswert - vergleichsweise zu dem, was fast alle Profis davor und danach darbrachten. Fast noch 7.000 Unverbesserliche hatten sich zum Auftritt der Pillenklub -Pillekicker aufgemacht und sie geizten nicht mit prasselndem Beifall, als der allererbärmlichste Vereinsangestellte, ein Herr Reinhold Mathy, Mitte der 2. Halbzeit vorzeitig ausgewechselt zum Duschen schlurfte.

Gut klappte, immerhin, stets der Rückpaß zum Torwart. Nach dem Siegtor (48.) des Bremers Riedle hatte Uerdingen keine einzige Torchance mehr. Ein Gebolze von einem Niederniveau, dem sich die deutsche Sprache für Beschreibungen sperrt. Auf den Tribünen wurden beleidigende Vergleiche mit Jugend- und Kreisklassenfußball angestellt.

Bayer-Trainer Horst Wohlers, zu Saisonbeginn einer der zeitgeistgemäßen jungen Hoffnungsträger der Kickszene, stand nur noch schweigend an der Seitenlinie, die Hände in den Hosentaschen, fassungslos, ahnungslos, was tun, zu deprimiert zum Ärgern. Ein netter Bursche, der keine Autorität hat, seine satten Stars zum Laufen zu bewegen.

Nachher ließ er den branchenüblichen Ärger pflichtgemäß ab. „Eine der größten Enttäuschungen“ seiner Karriere, verkündete er, einige seiner Schutzbefohlenen hätten „nicht kapiert, um was es geht, besonders die älteren.“ Was folgen werde, seien „einige ganz klare Worte“.

Traurig, diese Mannschaft, für einen wie Brian Laudrup. Der 20jährige kleine Bruder des großen Italo-Dänen Michael wird seit Wochen mit Lobkaskaden überschüttet. (Wohlers jubelt, er habe seit 20 Jahren keinen besseren in diesem Alter gesehen, „absolute Weltklasse“, so vergangene Woche St. Pauli- Manager Volkert). Tatsächlich vereinen sich in Brian explosive Schnelligkeit mit schwindelerregender Dribbelkunst. Aber drei Bremer Abwehrrecken um ihn herum waren auch für den Flitzer-Star meist zuviel, zwei Chancen tanzte er in der 1. Halbzeit immerhin heraus, aber die Kollegen vergeigten seine Vorlagen erwartungsgemäß erbärmlich.

„Ein bißchen alleine“ komme er sich schon vor, in diesem Ensemble von Leistungsverweigerern, klagte er nachher diplomatisch in schönstem Smörrebröd-Deutsch, dabei war er ein niederrheinischer Bayer geworden, um „in diesem Verein mein Talent besser entfalten zu können“ als in einer Star -Truppe wie Bayern.

Nein, hatte Entfaltungshelfer Wohlers vor zwei Wochen noch gesagt, man könne nicht sagen, daß sein Jungstar zu gut sei für die Seinen insgesamt. Am Samstag ein Lernerfolg: Ist die Mannschaft zu schlecht für Laudrup?: Ja, gestand er der taz: So sei es „sicherlich richtig“.

Werder Bremen, zuletzt sehr torfreudig und erfolgreich, war genau ein Tor weniger schlecht. Wynton Rufer, der kunstvoll kickende Kiwi, tat krachend einmal dem Pfosten weh und einmal Torwart Kubiks Händen. K.-H. Riedle war, mit schmerzlich schmerzendem Schnelligkeitsdefizit, genauso schnell, daß ihm ein Uerdinger immer noch im Fußwerkzeug treffen konnte. Linienmensch Reck bekam keine einzige Gelegenheit zum Falschgreifen, und Uli Borowka, einer von Bremens angeblichen Ex-Nationalspielern, war mit dem Weser -artigen Rückenwind in seinem Element: Da konnte er die Leder-Kirsche bei seinen Abschläge gleich bis in die Arme von Bayer-Torwächter Kubik dreschen. Einäugig unter blinden zu sein kann ja für die Prämie reichen.

Der Frust über einen vergeudeten Nachmittag saß tief. So sah sich selbst Krefelds sonst so wortgewandte Funktionärslegende Reinhard Schippkus, der sich als Intimchef der legendären Formation „Gib mich die Kirsche“ dreist in den VIP-Bereich geschlichen hatte, trotz einiger Frei-Pils, die er, milieufremd, zuerst gar bezahlen wollte, zu keinem Kommentar in der Lage. Jede Häme im Zitat sei recht, außer „Rechtsradikales oder Chauvinistisches“. Von einem Kirschen-Kollegen in einem 56er Käfer vom Ort des Schauderns wieder hinwegchauffiert, sah sich der führerscheinlose Alternativkicker außerstande, sogar die Beifahrertür zu öffnen. So sehr kann Bundesliga-Fußball heute verwirren.

Von Besuchen mit Geldverschwendung gar für eine Eintrittskarte ist in der „stärksten Liga der Welt“ derzeit vorsichtshalber abzuraten, insbesondere bei Bayer Uebeldingen.

UERDINGEN: Kubik - Friedhelm Funkel (46. Witeczek) Kleppinger, Wolfgang Funkel - Klinger, Zietsch, Fach, Steffen, Bartram - Laudrup, Mathy (68. Klauß)

BREMEN: Reck - Bratseth - Otten, Borowka - Bockenfeld, Eilts, Neubarth (83. Sauer), Votava, Hermann - Riedle (84. Schaaf), Rufer

ZUSCHAUER: 10.000 zuviel

TOR: 0:1 Riedle (48.)

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