Besser den Wind vom Dach holen ...

■ ...als der Behörde die Faust zeigen: Kristen Müllers Öko-Laboratorium in der Osterfeuerbergstraße

Bauantrag? „Dazu habe ich keine Lust gehabt. Mich monatelang mit denen herumzuprügeln. Ich habe gar keinen gestellt.“ Verblüffung unsererseits, Selbstverständlichkeit seinerseits. Er kämpft ja nicht gegen Windmühlenflügel, der Kristen Müller, er

macht einfach ein kleines Loch in sein schmales Bremer Reihenhausdach in der Osterfeuerbergstraße und läßt auf den Dachboden eine Stange schrauben, an deren Ende sich ein munteres, kleines Windrad von 90 cm Durchmesser dreht. Drehen wird. Wenn es sich drehen wird, macht es Geräusch. Deshalb und weil sie anders aussehen als Fernsehantennen, gibt es üblicherweise mit der Bewilligung von Windrädern in Wohngebieten Ärger. Für Kristen Müller aber, sind - siehe oben - an seinem Windrad nicht der Ärger die Hauptsache, sondern daß er ausprobiert, was er für sinnvoll hält und er dann sieht, wie laut es wird. Und ob es die Nachbarn stört. Deren Baulichkeiten im übrigen auch nicht durch Bewilligung entstanden sind. Aus Probiergründen ist das Windrad auch erstmal klein und leistet 60 Watt nicht 150 wie bei dem anvisierten Durchmesser von 1.70 m. „Aber von Technik verstehe ich nichts“, sagt Architekt Müller-Schweijk bescheiden nach diesen Watt-sprachlichen Entgleisungen.

Wir sitzen derweil in einem der Wintergärten, die Müller aus Gründen der Schönheit, Nutzbarkeit und Wärmedämmung gleichermaßen an der ganzen Gartenseite seines Häuschen hinauf und hinunter errichtet hat. Innen ist es nämlich, vor Heizung gewissermaßen, immer schon mal 5 Grad wärmer als draußen. Das ganze Haus ist ein Tummelplatz ökologischen Eigenbaus. Müller hat sich in den 70ern vom Baupaulus (Mitverursacher der Betonsünden der GW-II-Uni) zum Saulus geläutert, der entweder für einen reichen Bauherrn wie das Land Bremen schön baut (z.B. Bremens schönste Schule Am Rübekamp) oder eben privat und selbst. Die Verwendung von Profilen, mit denen man sonst Glasplatten zu Gewächshäusern verbindet, zum Wintergartenbau z.B. stimmt ihren Erfinder sichtlich zufrieden. Unter Einsetzung eines martialischen Hebelinstrumentes lassen sich nämlich die Glasteile bewegen und der Wintergarten sommertauglich kurbeln. Das Windrad, das für den Strom im Winter sorgen soll, ist nur die vorerst letzte dieser Installationsphantasien. Für den Sommerstrom sorgen schon die Platten der photovoltaischen Anlage

auf dem Dach. Dafür, daß überhaupt nicht viel Strom gebraucht wird, sorgen, außer den Wintergärten, ein Kachelofen, mit dem das ganze Haus beheizbar ist und ein paar Wärmeschlangen. Die gewinnen aus dem Abgas, das sonst durch den Schornstein geht, Wärme, die ins Heizwasser geleitet wird. Oder in die vierfüßige Badewanne, auf die der Wintergarten unvermutet den Blick freigibt. Ja, eine Wanne hätte einfach gefehlt, meint Müller prosaisch, während die Betrachterin sich ausmalt, wie das sein muß: im wärmewellengewärmten Wasser neben dem durchsichtigen Wintergarten thronen und durch das Fenster vom Wintergarten her Frühstück mit wärmegehärtetem Landei serviert zu bekommen. Doch sind wir abgeschweift.

Gesagt werden sollte in so einem Artikel unbedingt etwas über die Stadtwerke. Die Einspeisung in deren Netz, die Verhandlungen mit ihnen über die Frage, wieviel

sie für das Eingespeiste zahlen, gehört zu den Kniffligkeiten der eigenen Stromproduktion. Müller: „Die Stadtwerke haben damit überhaupt nichts zu tun.“ Was er mit dem überschüssigen Strom macht, weiß er noch nicht, jedenfalls nichts die Stadtwerke Betreffendes. In dem Haus gibt es drei Stromkreise. Über den einen versorgen die Stadtwerke die hochvoltigen Wechselstromfresser (Telefax, Photokopierer, Lichtpausmaschine) des Architekturbüros Müller & Reese im Erdgeschoss. Die beiden von Sonnen-und Windenergie lebenden anderen versorgen unabhängig davon Müllers Wohnetage. Kosten? Das Windrad z.B. hat 1000 Mark gekostet, aber, sagt Kristen Müller: „Die Kosten-Nutzen -Rechnung der Stadtwerke kann ich nicht anerkennen, weil Abwärmeprobleme und der Atomrestmüll, den sie produzieren, in ihre Kostenrechung ohnehin nicht eingehen.“

Uta Stolle